Nackt schlafen ist bio
klopfen.
Allerdings nebenan.
Ich hielt die Luft an – zum Glück kannte ich die beiden Mädchen, die sich das Zimmer neben mir teilten, und konnte ihnen die Situation am nächsten Tag notfalls erklären. Trotzdem war es blöd.
Erneutes Klopfen. Keine Reaktion. Gott sei Dank.
Dann hörte ich Schritte in meine Richtung kommen. Ich erschrak, kauerte mich zusammen und biss die Zähne aufeinander, doch zu meiner Erleichterung verhallten die Schritte wieder. Er ging an meiner Tür vorbei zum Ende des Korridors. Ich war in Sicherheit. Nie wieder Javier. Leider durchlebte ich das sabbernde Gegrapsche in Gedanken noch einmal beim Einschlafen, und mich schauderte – irgendetwas daran war so widerlich wie herumliegender Müll, Schweinefleisch aus Mastfabriken und Chrysler Pacificas. Auch wenn ich nicht wusste, aufgrund welcher Fakten diese ganze Episode als unökologische Schweinerei einzuordnen war, war sie es trotzdem.
Vielleicht gelang es mir ja, die Erinnerung daran zu verdrängen, wenn ich mir am nächsten Tag den Mund mit Essig und Backnatron ausspülte.
27. JULI , 149. TAG
Freiwillige Mitarbeit bei einer örtlichen Umweltschutzorganisation
Mein vierter Flug in weniger als drei Wochen brachte mich heim nach Toronto, wo ich ein bisschen Zeit hatte, um über den Jetlag hinwegzukommen, Wäsche zu waschen und mich auf die umweltschonende Radtour vorzubereiten. Als ich meine eingegangenen E-Mails durchsah, stellte ich fest, dass heute Abend ein Treffen der Toronto Environmental Volunteers ( TEV ), also wohl irgendwelcher Umweltschutzaktivisten, stattfand – keine Ahnung, was diese Leute taten, aber da ich in Toronto lebe, mich um die Umwelt sorge und etwas dafür tun will, beschloss ich, es herauszufinden. Ich erwartete, in der Metro Hall einen Saal voll eifriger Hippies vorzufinden, mit akustischen Gitarren oder Grünzeug im Arm, die sich gemeinsam auf ihren nächsten Öko-Kreuzzug vorbereiteten, wie immer dieser auch geartet sein mochte. Stattdessen saß in dem Konferenzraum eine Menge, wie sie durchschnittlicher nicht hätte sein können – als hätte jemand die Schlange, die bei der Kfz-Zulassungsstelle anstand, kurzerhand in diesen stickigen Raum verfrachtet, jedem ein Vollkorn-Rosinen-Cookie in die Hand gedrückt und ihn vielleicht noch mit einem Schuss Niedergeschlagenheit geimpft, eine so nichtssagende Versammlung war das. Na schön, es gab da einen Outdoor-Typen mit Tilley-Hut, der eine gewisse Begeisterung ausstrahlte, und eine lächelnde Frau, die eine Batikbluse trug, dazu kunstgewerbliche Ohrgehänge und schicke Khakihosen, aber alle anderen – Langweiler.
Da es sich um eine Einführung handelte, mussten wir eine Powerpoint-Präsentation über uns ergehen lassen, bei der wir aufgeklärt wurden, was diese TEV eigentlich war, in welche Aktivitäten man eingebunden wurde und so weiter. All dies erfuhren wir von Janet, der lächelnden Frau, die sich als leitende Co-Koordinatorin entpuppte. Niemand im ganzen Saal zeigte auch nur einen Funken Interesse, und ich fragte mich, woran das lag. Klar, die Präsentation riss einen nicht gerade vom Hocker, aber waren wir hier nicht alle zusammengekommen, um uns motivieren zu lassen und die Welt zu einem besseren Ort zu machen? Schließlich war ja keiner gezwungen worden zu kommen.
Oder doch? Wie sich herausstellte: ja. Janet unterbrach ihren Vortrag etwa in der Mitte, damit sich die Leute erneut mit Kaffee (in Keramikbechern – gut so!) oder Saft (in Einwegflaschen und aus Konzentrat – schlecht!!) eindecken konnten, und erwähnte dann, dass sie in der Pause jedem schriftlich die Anwesenheit bestätigen würde. Ich fragte den Typen vor mir, was es damit auf sich habe, und erfuhr, dass die TEV eine beliebte Adresse bei Sozialhilfeempfängern, ehemaligen Drogenabhängigen und Schülern war, um ihre Pflichtstunden bei einer sozialen Einrichtung abzuarbeiten. All diese Leute hier wollten nichts anderes als Janets Unterschrift mit Datum und Uhrzeit für ihre Anwesenheitsnachweise, denn dann konnten sie gehen. Als der zweite Teil der Veranstaltung begann, hatte sich mindestens die Hälfte von ihnen verdrückt.
Mit einem Seufzer nahm ich einen Schluck aus meiner Trinkflasche – nachdem die kanadische Regierung Bisphenol A als toxisch eingestuft hatte, hatte ich mich letztlich doch für ein Modell aus Edelstahl anstelle meiner alten Plastikflasche entschieden.
Mit der verbliebenen Handvoll, eine im Schnitt zwar jüngere, aber immer noch fade Gruppe, machte Janet
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