Nackt schlafen ist bio
denken, wenn du palästinensischen Ziegenkäse isst … was du in deiner Stadtwohnung in Toronto ja bestimmt regelmäßig tust.« Er klang ein bisschen sarkastisch.
»Sekunde mal«, sagte ich. »Was nutzt Ziegenzüchtern euer SMS -System? Schicken sie Nachrichten an ihre Freunde, etwa ›Ziegenmilch 4ever! TTYL ‹?«
»Yeah, LOL ! Nein, natürlich nicht. Aber es hilft dem Verband dabei, den Überblick über den Viehbestand zu behalten, und die Züchter können Termine beim Tierarzt vereinbaren oder Buchhaltungskurse belegen und so was, und das alles per Handy. Eigentlich hat nämlich niemand hier einen Internet- oder Festnetzanschluss.«
»Oha«, sagte ich, »was für eine clevere Idee. Du warst doch nicht etwa in Harvard?«
»Mach dich nur lustig.«
»Aber sag mal, produzieren irgendwelche von diesen Schaf- und Ziegenhaltern Öko-Käse?«, fragte ich. »Es dürfte nicht leicht sein, das hier zertifiziert zu bekommen.«
»Keine Ahnung«, erwiderte er. »Wenn, dann möglicherweise nur aus purem Zufall.«
»Du solltest ihnen allen eine SMS schicken und sie fragen«, meinte ich. »Und wenn du schon dabei bist, erkundige dich doch auch, ob sie Lab verwenden, dieses Scheißzeug.«
»Was ist Lab?«, hörte ich eine Stimme von hinten. Meine Schwester.
»Das möchtest du lieber gar nicht wissen«, antwortete ich. »Bestell einfach nie wieder einen Big Mac.«
»Na klar, träum weiter«, sagte sie.
22. JULI , 144. TAG
Keine Gymnastik, die Strom verbraucht
Am 19. Juli um 5.30 Uhr verabschiedete sich ein übermüdeter Jacob mit Wangenküsschen von uns und versprach, in Kontakt zu bleiben. Emma und ich fuhren zurück zum Flughafen von Tel Aviv, wo sich unsere Wege trennten; sie kehrte heim nach Toronto, während ich ein Flugzeug nach Spanien bestieg. Ich hatte vor, in der kleinen, ein paar Stunden westlich von Madrid gelegenen Stadt Ávila einer Gruppe von Spaniern eine Woche lang dabei zu helfen, ihr Englisch zu verbessern. Wir waren etwa ein Dutzend englische Muttersprachler und ein Dutzend Spanier, und der Tagesablauf sah meistens so aus: Frühstück und zwanglose Unterhaltung, dreimal jeweils eine Stunde strukturierte Konversation im Einzelunterricht, Mittagessen mit Unterhaltung, noch mal zwei Einzelstunden, eine gemeinsame Unternehmung, Abendessen und weitere Konversation, Freizeit. Der Stundenplan strotzte vor Wanderungen und Gesprächen, aber die Konditionen waren sehr günstig – zumindest für die englischen Muttersprachler, die eine Woche lang ihre Zeit gegen Essen und Trinken, kostenlosen Transfer von und nach Madrid und Logis in einer atemberaubenden 5-Sterne-Villa im spanischen Hügelland eintauschten.
Hier konnte ich auch leicht meinem Entschluss treu bleiben, auf stromfressende Gymnastik zu verzichten. Ich unternahm Wanderungen in die Stadt, den Fluss entlang und querfeldein; ich schwamm mindestens einmal täglich, und abends tanzte ich. Außerdem bekam ich jede Menge Vitamin D ab, wobei ich das natürlichste Sonnenschutzmittel benutzte, das ich auftreiben konnte – leider stellte sich nämlich heraus, dass das auf Mineralien basierende graue Zeug, das ich mitgebracht hatte, nicht in die Haut einzog, sodass ich aussah wie eine Leiche, bis ich einen Sonnenbrand bekam und dann obendrein noch einen albernen Anblick bot. Also wechselte ich zu einem Mittel mit Sonnenschutzfaktor 30 für empfindliche Haut, das ein unabhängiges Umweltinstitut empfohlen hatte und mit dem es viel besser klappte. Dazu viel natürliche Bewegung und vorwiegend Nahrungsmittel aus der direkten Umgebung; die war zwar nicht zertifiziert bio, aber auf dem Weg zum Hotel waren wir nur an Höfen vorbeigekommen, wo die Kühe draußen weideten und Schweine in Pferchen herumliefen. Das fiel mir in Europa auf: Eine Menge Leute rauchen und trinken reichlich, verzehren jede Menge Fleisch und recyceln beileibe nicht so viele Plastiksorten wie wir in Nordamerika, aber im Grunde leben sie doch oft nachhaltiger. Sie fahren kleinere, sparsamere Autos, ihre Anbautechniken sind viel gesünder und natürlicher, es gibt nur wenige Großmärkte und Einkaufszentren, die Leute essen häufiger selbst gekochte Mahlzeiten als Fast-Food oder Mitnahmegerichte, und im Großen und Ganzen ist die Einstellung zum Leben schlichter: gut essen, gut trinken, lieben und glücklich sein.
In dieser Woche hatte ich also das Gefühl, dass es eigentlich recht einfach war, umweltbewusst zu leben, und zerbrach mir nicht groß den Kopf darüber, ob der Kaffee aus fairem
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