Nackt schlafen ist bio
stand fest – ich würde wenigstens keine Hausaufgaben zur Achtsamkeit machen müssen und müsste mir auch nicht selbst verzeihen.
Kaum war ich draußen, nahm ich mein Handy und rief Ian an.
31. JULI , 153. TAG
Nur noch Bettlaken aus biologisch angebauter Baumwolle oder Bambusfasern kaufen
Diese Laken aus biologischer Baumwolle sind viel schöner als die roten Polyesterlaken aus meiner Collegezeit. Leider weiß das im Moment niemand zu würdigen außer Sophie. Und ihre Form der Anerkennung sind Katzenhaare und Schuppen allüberall. Echt sexy.
4. AUGUST , 157. TAG
Sicherstellen, dass sich Urlaubshaussitter an ökologische Regeln halten
Justin hatte mir versichert, dass er gerne Haussitter spielte und es für ihn überhaupt kein Problem wäre, in meiner Wohnung nach dem Rechten zu sehen, solange ich im Urlaub sei. Ich hegte allerdings gewisse Zweifel. Schließlich war das nicht mehr irgendeine Wohnung, sondern ein Öko-Domizil. In meinem Schrank gab es Öko-Mandelbutter statt Nudeln mit Fertigsauce, warmen Ontario-Wein statt kaltes Bier, anstelle des üblichen Mülleimers unter der Spüle standen bei mir gleich eine ganze Reihe von Recycling-Boxen und dazu auf meinem Balkon ein selbst gezimmerter Komposter, der zufälligerweise gerade dringend Würmer brauchte.
Doch mein ehemaliger Kollege von der Post beharrte darauf, dass er eine Zeit lang etwas Abstand von seinen Mitbewohnern haben wolle, also dankte ich ihm überschwänglich, gab ihm den Schlüssel und hinterließ ihm auf dem Küchentresen eine ausführliche Notiz – besser gesagt, ein drei eng bedruckte Seiten umfassendes Word-Dokument –, in der ich ihm erklärte, wie er meinen Öko-Fimmel am besten überstand. Als ich dann aus Spanien zurückkehrte, fand ich meine Wohnung wundersamerweise so blitzblank vor, wie ich sie verlassen hatte. Justin hatte mir seinerseits einen Zettel geschrieben, wonach er den Kühlschrank in Betrieb genommen, inzwischen aber wieder ausgesteckt habe; außerdem habe er Regenwürmer besorgt, die sich im Kompost mittlerweile gut eingewöhnt haben müssten; aus Versehen sei ihm meine Kaffeekanne mit dem Pressstempel zerbrochen, er habe mir aber eine neue besorgt; und es sei ihm sogar gelungen, sich mit Sophie anzufreunden, die sonst auf Gäste nicht gut zu sprechen ist. Erstaunlich, dachte ich mir. Andererseits hätte ich von einem ehemaligen Korrektor nichts anderes erwarten sollen – für so einen Job muss man perfektionistisch sein. Und da ich selbst es auch bin, empfand ich das derart symbiotisch (und sauber) ablaufende Aufeinandertreffen dieser zwei besessen-zwanghaften Persönlichkeiten als höchst befriedigend.
Nach einem Seufzer der Erleichterung, einer weiteren Nachricht an Justin und dem Waschen etlicher Maschinenladungen stand ich wieder am Flughafen von Toronto, um nach Portland zu fliegen, allerdings über Philadelphia und mit einem ziemlich knappen Anschlussflug. Immerhin war das Gate für den zweiten Teil der Reise nicht zu übersehen – weniger dank einer vorausschauenden architektonischen Planung, sondern weil es dort von Hippies nur so wimmelte. Sie trugen allesamt Ethno-Kittel, hockten auf Rucksäcken eines bekannten Outdoor-Ausrüsters, zupften an ihren ausgefransten Sportschuhen herum und hatten dabei einen Gesichtsausdruck, der irgendwo zwischen Phlegma und Hunger lag. Angenommen, so überlegte ich, es gäbe eine neue Fluggesellschaft speziell für diese demografische Gruppe – sagen wir, Hippie Air, mit ausschließlich klimaneutralen Flügen, veganem Essen und einem kostenlosen Exemplar einer linksalternativen Zeitschrift wie Mother Jones für jeden Passagier an Bord –, würden sie dann weniger genervt aussehen? Mein Bauchgefühl sagt mir: vermutlich nicht.
Ich traf nach Mitternacht in Portland ein. Mein Gepäck leider nicht. Also schleppte ich mich zum Serviceschalter, vor dem sich bereits eine lange Schlange gebildet hatte. Doch meine Stimmung hob sich, als ich mir ins Gedächtnis rief, dass ich mich in den Vereinigten Staaten befand, wo Kundenservice ja bedeutete, dass Kunden tatsächlich bedient wurden und die Angestellten entweder wirklich freundlich waren oder dies zumindest sehr gut vortäuschen konnten. Gerade jetzt taten sie mir besonders leid, weil sie sich die ganze Nachtschicht über, acht Stunden lang, mit erbosten Reisenden herumschlagen mussten. Als sie mir den Gepäckschein für meinen fehlenden Koffer gaben, sich entschuldigten, mir versicherten, dass meine Sachen am nächsten
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