Nackt schlafen ist bio
so ziemlich alles isst, ohne groß Theater darum zu machen, dass sie in ihrer Küche auf ökologische Milchprodukte besteht. Da wusste ich, dass hier irgendwas im Argen lag. Je mehr ich recherchierte, umso mehr verfestigte sich mein erster Eindruck, dass es – unabhängig davon, ob man den Genuss von Milchprodukten aus ethischer, ernährungsphysiologischer oder ökologischer Überzeugung für richtig oder falsch hält – wesentlich darauf ankommt, nur ökologische Milchprodukte zu sich zu nehmen, sofern man sich grundsätzlich dafür entschieden hat.
Nachdem ich auf der Internetseite der kanadischen Milchbauern mehr Zeit verbracht hatte, als man das guten Gewissens empfehlen kann – Zitzendesinfektionslösung ist nur der Anfang –, landete ich schließlich beim Wikipedia-Artikel über Lab. Als ich das letzte Mal ein Stück Bio-Cheddar gekauft hatte, prangte das Etikett »labfrei« darauf, und mir war nicht klar gewesen, warum ich darauf achten sollte. Na ja, lassen Sie es mich mal so sagen: Nachdem ich einiges über Lab erfahren hatte, hätte ich beinahe für immer die Finger von sämtlichen Milchprodukten gelassen.
Schlicht gesagt ist Lab ein Gemisch natürlich vorkommender Enzyme, die im Magen eines jeden Säugetiers produziert werden, um bei der Verdauung von Milch zu helfen. Lab enthält Labferment, das die Milch gerinnen lässt und in feste (Käsebruch) und flüssige Bestandteile (Molke) zerlegt. Das allein ist noch wenig beunruhigend. Doch um Käse herzustellen, muss der Bauer diesen Prozess anstoßen – es reicht ja nicht, wenn er erst in unseren Mägen stattfindet –, also behilft er sich mit Lab aus den Mägen von Kühen, Ziegen, Schafen etc.
Traditionellerweise wird Lab folgendermaßen gewonnen:
1. Man säubere und trockne einen Kälbermagen,
2. schneide ihn in kleine Stücke und lege diese in Salzwasser ein.
3. Um den pH-Wert zu senken, Essig oder Wein hinzufügen,
4. über Nacht stehen lassen,
5. dann auspressen und durchseihen.
Die moderne Methode ist interessanterweise kein bisschen weniger abstoßend:
1. Man säubere und trockne einen Kälbermagen und friere ihn ein,
2. mahle ihn und lege ihn in eine enzymextrahierende Lösung,
3. füge Säure hinzu
4. und filtriere das Ganze, bis ein Konzentrat entstanden ist.
Offenbar gibt es vegetarierfreundliche Alternativen zum Lab. In dem Wikipedia-Artikel wird erwähnt, dass »bestimmte Pflanzen ebenso effektiv als Gerinnungsmittel wirken, zum Beispiel Labkräuter, Artischockenblüten, Golddisteln, Papaya- und Feigenbaummilchsaft«. Disteln, aber hallo! Vielleicht sollte ich mein Blog Grün wie ein pflanzliches Gerinnungsmittel statt Grün wie eine Distel nennen.
Doch das war nur eine kurze Unterbrechung in dem Schreckensszenario. Es ging weiter mit »Gentechnisch erzeugte Ersatzstoffe«, in dem Absatz stand unter anderem Folgendes:
»Die Entwicklung der Gentechnik machte es schließlich möglich, Kalbsgene so in die DNA verschiedener Bakterien, Pilze und Hefe einzubauen, dass sie Chymosin (Labferment) produzieren. Kälber-Chymosin, das von gentechnisch veränderten Mikroorganismen produziert wird, war eins der ersten künstlich hergestellten Enzyme, die in den USA amtlich registriert und zugelassen wurden. 1999 wurden etwa 60 Prozent aller Hartkäse in den USA mit Labferment aus genveränderten Pilzen hergestellt.«
Im Weiteren las ich, dass auch Pfizer gentechnisch veränderte Chymosin-Labaustauschstoffe herstellt. Na, großartig, dachte ich mir. Der weltgrößte Pharmakonzern hat es bis in meinen Joghurt geschafft!
Das heißt, jetzt nicht mehr. Von heute an – und ich glaube wirklich, bis ans Ende meines Lebens – werden sämtliche Milchprodukte, die ich esse, ohne Ausnahme aus ökologischer Milchwirtschaft stammen und labfrei sein.
Zum Glück ist es in Ramallah recht einfach, Milchprodukte zu meiden. Jacob kennt sich da aus, er hat eine Laktose-Intoleranz. Zudem werden die hier erhältlichen Sachen vorwiegend aus Schafs- oder Ziegenmilch hergestellt, und zwar auf die allertraditionellste Weise. Wegen der mittelkettigen Fettsäuren, der kleineren Fettkügelchen und des geringeren Anteils an Kasein ist Schafs- und Ziegenmilch leichter verdaulich und oft auch für Kuhmilch-Allergiker verträglich.
»Der Verband der palästinensischen Viehkooperativen ist übrigens einer unserer Souktel-Partner«, erzählte Jacob, als wir eines Nachmittags auf dem Weg nach Jerusalem an einer Ziegenherde vorbeifuhren. »Du kannst also jedes Mal an mich
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