Nackt schlafen ist bio
weiter. Sie fragte uns, ob wir ihr sagen könnten, wie viel Müll jedes Jahr dank wilder Entsorgung am Straßenrand statt auf der Müllkippe landete oder warum die Stadtverwaltung von Toronto ein Fütterungsverbot für Vögel am Sunnyside Beach ausgesprochen hatte. Die Antwort auf die zweite Frage gab ein älterer, kahlköpfiger Mann hinter mir, er sagte schlicht: »Kacke.« Erst als Janet ihn aufforderte, das auszuführen, bequemte er sich zu einer Erläuterung: »Sie kacken. Ins Wasser. Die Kanadagänse sind am schlimmsten. Scheißen eineinhalb Pfund am Tag. Ein und ein halbes Pfund.«
Und so weiter.
Als Nächstes sahen wir ein paar Dias von den im Frühjahr, im Sommer und im Herbst in den verschiedenen Stadtteilen regelmäßig veranstalteten Umwelttagen – dort können die Einwohner alte Farbkanister, Batterien und anderen Sondermüll abgeben und den Helfern weitergehende Fragen zum Recycling stellen. Es gibt auch einen großen Komposthaufen: Die Stadtverwaltung sammelt Rasenschnitt, Blätter und anderes verrottendes Material und lässt es ein Jahr lang in einem Thermo-Komposter liegen, dessen Inhalt dann zu einem großen Mulchhaufen aufgeschüttet wird, bei dem sich jeder Gartenbesitzer nach Belieben bedienen kann. Das klang etwas seltsam in meinen Ohren, aber Janet beteuerte, dieser Mulch sei ungemein beliebt.
Nach ein paar weiteren Umwelttag-Impressionen stoppte sie bei einem Bild, auf dem zwei Mädchen etwas umarmten. Oder jemanden? Himmel, das konnte nicht wahr sein! Oh doch, das war es. Es handelte sich um ein offizielles TEV -Maskottchen. Mit zusammengekniffenen Augen versuchte ich auszumachen, was die Figur eigentlich darstellen sollte – von meinem Platz aus konnte ich das nur schwer erkennen, sie erinnerte vage an eine menschliche Gestalt, plüschig gelbe Glieder, knallrote Unterwäsche und einen riesigen Wassertropfen anstelle eines Kopfes.
»Das ist Squirty«, erklärte Janet.
Hoppla, das musste ein Scherz sein, dachte ich und wünschte mir sehnlichst Ian an die Seite – so etwas durfte er doch nicht verpassen!
Meine Hand schoss hoch.
»Ja?« Janet lächelte immer noch.
»Ähm … Hi. Hallo.« Ich stellte mich vor. Und fragte dann so gestelzt und superhöflich wie nur möglich: »Ich wüsste nur gerne – was genau ist Squirty eigentlich?«
»Er ist unser Maskottchen«, erwiderte sie.
»Oh ja, das sehe ich«, meinte ich. »Aber, ähm, ich fürchte, ich kann nicht erkennen, was genau er darstellen soll … Ist er vielleicht ein tropfender Wasserhahn? Oder saurer Regen? Oder einfach nur irgendein x-beliebiger Wassertropfen?«
Janet meinte, sie glaube nicht, dass Squirty etwas Bestimmtes sein sollte. Er sei wohl eher etwas Künstlerisches.
»Und außerdem«, ergänzte sie, »ist er nicht das einzige Maskottchen, das wir haben.«
Oh Gott, es gab noch mehr?
»Wenn unsere Helfer sich verkleiden möchten, können sie in diese Kostüme schlüpfen – unsere anderen Maskottchen.« Sie klickte auf das nächste Bild.
Diese Maskottchen waren namenlos, aus Schaumstoff gemacht und in ihrer Bildsprache eindeutiger. Links stand eine lebensgroße, grüne Tonne, die Standard-Biotonne von Toronto, mit einem kleineren Eimer für die Küche obendrauf; das rechts war ein Zeitungsstapel. Genau: ein Zeitungsstapel. Sie sahen so jämmerlich aus, dass ich fast laut losgeprustet hätte, doch andererseits war das Bild auch so traurig, dass man es in einen Gus-van-Sant-Film hätte einbauen sollen. Ich beschloss, den Figuren Namen zu geben, um ihnen ein bisschen Würde zu verleihen.
Stillschweigend taufte ich sie auf: Stinky, die Grüne Tonne, und Stacky, der Zeitungsstapel. Kurz Stinky und Stacky. Aber das behielt ich für mich.
Die Einführung ging dem Ende zu, und als die Leute ihre Mäntel holten, trug ich mich in die Empfängerliste für den regelmäßigen Newsletter ein und erklärte meine Bereitschaft, an Aktionen teilzunehmen. Mit Squirty, Stinky und Stacky wollte ich zwar nicht unbedingt etwas zu tun haben, aber es sprach zunächst einmal nichts gegen TEV an sich. Auch wenn die letzten Stunden trist verlaufen waren, steckte doch mehr hinter dem Ganzen. Etwas, das sich hinter der Batikfassade von Janet abspielte, und ich wollte gern wissen, was es war. Was motivierte sie dazu, sich das Tag für Tag anzutun? Jedenfalls würde ich irgendeinen Nutzen aus einer wie auch immer gearteten Tätigkeit für diese Organisation ziehen können, wenn nicht in sozialer Hinsicht, so doch für mich persönlich. Und eins
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