Nackt schlafen ist bio
Umweltschulen, die ökologisches Denken förderten, und schließlich von den Bewohnern des Stadtteils hier, die gemeinsam eine große, fröhliche Sonnenblume mitten auf die Kreuzung zweier Hauptverkehrsstraßen gemalt hatten, um die Autofahrer dazu zu bringen, die Geschwindigkeit zu drosseln. Außerdem haben sie eine Tafel für kommunale Mitteilungen angebracht und einen Sozialmarkt mit Suppenküche und Kleiderkammer an der Ecke eingerichtet.
»Und dann haben sie noch kostenlose grüne Smiley-Aufkleber verteilt«, flüsterte ich sarkastisch dem Typen zu, der neben mir saß.
»Was?«, sagte er.
Ach, nichts.
Ungefähr zu diesem Zeitpunkt brach der Kulturschock über mich herein. Wenn man von Ramallah nach Spanien und dann nach Portland reist, erlebt man ein Auseinanderklaffen von gesellschaftlichen Normen und Prioritäten, wie man es sich krasser kaum vorstellen kann. Am meisten irritierte mich jedoch, dass meine Verärgerung in dieser Situation völlig ungerechtfertigt war, jedenfalls rational betrachtet. Warum regte ich mich über eine Gruppe von Menschen auf, die einfach nur Fahrrad fahren, etwas über nachhaltige Landwirtschaft lernen und gesunde Lebensmittel essen wollten, die nicht von Tieren stammten? Daran ist nichts verkehrt. Ja, genau deshalb hatte ich mich doch für diese Tour angemeldet.
Vor Beginn der zweiten Hälfte des Orientierungsmeetings ging Mark mit uns nach draußen, um mit uns ein Spiel zu spielen, bei dem er eine Reihe von Fragen stellte wie: »Wer den Unterschied zwischen aktiver und passiver Sonnenenergienutzung kennt, tritt einen Schritt vor; wer schon einmal eine mehrtägige Radtour gemacht hat, tritt einen Schritt vor; wer sich von Bio-Kost ernährt, tritt einen Schritt vor.« Auf diese Weise sollten wir einander ein bisschen besser kennenlernen und herausfinden, wo wir auf der Öko-Skala derzeit anzusiedeln waren.
Zu meiner großen Verblüffung machte ich wahrscheinlich mehr Schritte als jeder andere hier. Ich hatte also offenbar keinerlei Grund zu Ressentiments gegenüber diesen Leuten, zumindest waren sie mir sehr ähnlich.
Als ich an ein Gespräch zurückdachte, das ich vor kurzem mit Ian über das Erscheinungsbild der modernen Öko-Bewegung geführt hatte, erinnerte ich mich an seine Schilderungen, wie toll es die Hippies damals in den Sechzigerjahren getrieben hatten – BH s verbrannt, sich zugedröhnt, Bierflaschen oder Ziegelsteine in den Toilettenspülkasten geworfen, um Wasser zu sparen. Die heutigen Hippies haben diesen Biss nicht mehr: Sie würden nie einen BH verbrennen, denn das wäre Verschwendung und Luftverschmutzung; keinesfalls würden sie Trips einwerfen oder etwas anderes als biologisch angebautes Gras rauchen, um ihren Körper – der ihnen ja heilig ist – nicht unnötig mit Toxinen zu belasten; und sie würden eher ein WC mit richtigem Zwei-Mengen-Spülsystem installieren als einen Ziegelstein zweckzuentfremden, der womöglich die Leitung rosten lässt und der bei der Wiederaufbauhilfe von Habitat for Humanity von größerem Nutzen wäre.
Ja, das war der springende Punkt: Die Werte, für die diese modernen veganen Radfahrer standen, waren schön und gut, aber ihre Neigung zu Zurückhaltung und Vorsicht – ganz zu schweigen davon, dass sie alles, einschließlich sich selbst, viel zu ernst nahmen – ging mir auf die Nerven.
Aber das war natürlich eine unzulässige Verallgemeinerung. Als wir uns reihum vorstellten und erzählten, warum wir uns für die Tour angemeldet hatten und was wir uns davon erwarteten, gab es nämlich durchaus Antworten, die nicht in dieses Veganer-Hippie-Radler-Schema passten. Ein junges Mädchen aus Portland beispielsweise sagte einfach: »Ich möchte eigentlich nur Rad fahren.« Eine der älteren Frauen gestand, sie sei vor allem dabei, um herauszufinden, was es mit diesem Quinoa-Rummel auf sich habe. Dann hob ein Typ namens Chris die Hand. Er komme aus Texas (allgemeines Luftschnappen) und arbeite bei Hallmark (allgemeines Augenverdrehen). Im Weiteren erklärte er, er hoffe, hier einige umweltbewusste Leute kennenzulernen und mit ein paar Anregungen heimzufahren, damit er vielleicht die Mutter aller Grußkartenfirmen mit ökologischem Gedankengut infiltrieren konnte.
Oha, dachte ich, das ist ja ziemlich cool.
Ich fand außerdem, dass er ziemlich attraktiv war – aber leider auch ziemlich gebunden, wie ich später erfuhr.
Am Ende des Orientierungstreffens hatte ich mit Chris etwas nähere Bekanntschaft gemacht, und ebenso mit
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