Nackt schlafen ist bio
nichts auf mein Projekt einzubilden. Huch, jetzt fange ich schon an, mich selbst unglaublich toll zu finden, weil ich versuche, mich nicht toll zu finden. Mist!
Ich dachte mir, es wäre durchaus angebracht, ebenfalls ein Geständnis abzulegen. Aber was sollte ich beichten? Es gab so vieles, was mir ein schlechtes Gewissen machte, so viele ökologisch wertvolle Aufgaben, die ich bereits satthatte. Ich wusste gar nicht, wo ich anfangen sollte.
Da dämmerte es mir.
»Liebe Leser von True Green Confessions «, schrieb ich. »Vergebt mir, denn ich habe gesündigt. Letzte Woche war ich im heiligen Hinterhof eines Yogatempels in Eugene, Oregon, und habe nicht nur mit einem, sondern mit zwei Hippies unzüchtige Handlungen begangen – nicht gleichzeitig, aber innerhalb von zwölf Stunden – und dabei wenig bis gar keine Rücksicht auf meine Zeltnachbarn genommen, die sich in tugendhaftester Enthaltsamkeit und höchstwahrscheinlich auch in Veganismus übten.«
Ja, es stimmt.
Eigentlich mache ich so etwas nicht, wirklich nicht. Aber Andrew, der die Radtour volle zwei Wochen mitgemacht hatte, fuhr schon einen Tag früher nach Hause. Und am selben Abend stieß Mark zu uns, weil er am nächsten Morgen eine weitere Orientierungsveranstaltung im Dharmalaya-Zentrum leitete. Als ich darüber schrieb, wie er das Frage-und-Antwort-Spiel über aktive und passive Sonnenenergienutzung mit uns gespielt hatte, hatte ich auch seine attraktive Sonnenbräune, seine blauen Augen und die unglückselige Zusammenstellung seiner polynesischen Garderobe erwähnt. Aber sobald mir klar wurde, dass er uns nicht auf unserer Rundfahrt begleiten würde, unterdrückte ich jegliches romantische Gefühl zu ihm, das da hätte aufkeimen können. Ihn jetzt am Ende dieser Woche wiederzusehen, war allerdings eine andere Sache. Unsere Gruppe saß mit Schlafsäcken und Taschenlampen ausgerüstet draußen im Dunkeln im Kreis, da kam er auf uns zu, noch immer in diesen Trekkingsandalen, aber mit einer schickeren campingtauglichen Oberbekleidung. Dazu trug er eine LED -Stirnlampe, die nicht nur seine tuntig wirkenden Haare zusammendrückte, sondern es ihm auch ermöglichte, eine große Kanne mit der Aufschrift »Yum Sauce«in Händen zu halten, die veganes Dressing enthielt, das eine regionale Spezialität war.
»Yum Sauce?«, fragte ich.
»Ja«, erwiderte er und leuchtete mir mit seiner Lampe in die Augen. »Die ist wirklich lecker.«
»Was du nicht sagst.«
Er schob die Lampe hoch, und wir plauderten weiter – über die Sauce, über die Kälte und wie paradox es sei, dass ausgerechnet ich als Kanadierin einen lediglich »äquatortauglichen« Schlafsack eingepackt hatte, der ebenso gut als Sommerschal durchgehen konnte. Als ich Mark so ansah, wie er da mit seiner Stirnlampe und der Yum Sauce stand, konnte ich nur noch eins denken: Dieser Bursche ist blitzgescheit, beängstigend mager und im Besitz von Lebensmitteln. Genau mein Typ.
Vielleicht lag es am Milchsäure-bedingten Delirium am Ende einer 130-Meilen-Radtour, vielleicht war es die Verzweiflung in meinen Eingeweiden infolge des Entzugs von Fleisch, Milchprodukten und Koffein oder vielleicht auch einfach ein allgemeiner Rauschzustand nach einer Woche Bio-Energieriegel, nachhaltigen Gesprächen und Kompostklos – jedenfalls packte es mich, und keine fünf Minuten nach unseren ersten dümmlichen Worten über Yum Sauce kletterte ich mit Mark ins nächstgelegene Zelt. Ob ich mich schäme? Ja. Ob ich Spaß gehabt habe? Dito.
Am nächsten Morgen kehrten alle nach Portland zurück und gingen ihrer Wege. Die meisten fuhren per Bahn, aber Mark hatte einen Wagen und, nun ja, es hatte eben seine Vorteile, mit dem Veranstaltungsleiter zu schlafen: Ich konnte kostenlos mitfahren. Anfangs hatte ich Gewissensbisse, dass ich mir dieses Transportmittel gönnte, aber er fuhr ja sowieso, da war eine Fahrgemeinschaft natürlich sinnvoller.
Auf dem Rückweg schaute ich aus dem Fenster und dachte darüber nach, wie verrückt die Situation doch war: Zu Beginn dieser Reise hatte ich insgeheim alle echten Veganer verdammt, mich aber immerhin auf das Radfahren und ökologische Erfahrungen gefreut, und eine Woche später hatte ich eine Affäre mit einem Veganer, der mich persönlich dorthin zurückchauffierte, wo alles begonnen hatte. Offen gestanden war ich erschöpft, und die Schmerzen und Beschwerden, die ich schon seit Tagen mit Medikamenten unterdrückte, machten sich bemerkbar. Ich stieß einen Seufzer aus und legte
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