Nackt schlafen ist bio
versuchte ihn mit allen nur denkbaren rhetorischen Tricks davon zu überzeugen, dass ein Trip nach Muskoka absolut unumgänglich war:
1. kostenloser Alkohol
2. Auszeit von der Fülle gesellschaftlicher Verpflichtungen
3. inspirierende, raue kanadische Wildnis
4. anregende Gespräche mit einer seiner besten Freundinnen und …
5. äh … Bio-Kekse?
Rückblickend betrachtet hätte ihn wahrscheinlich schon Argument Nr. 1 überzeugt. Jedenfalls stimmte er zu, und am nächsten Nachmittag holte ich ihn am Kai ab.
Die darauffolgenden Tage verbrachten wir ziemlich genauso wie ich die Zeit davor – das heißt mit Nichtstun. Trotzdem tat seine Anwesenheit irgendwie gut. Ja, sehr sogar. Die Gespräche verliefen ein bisschen lebhafter, das Filmegucken war ein bisschen gemütlicher, die Gerichte etwas … na ja, milchprodukteärmer (wegen seiner Laktose-Intoleranz).
Am vorletzten Tag meldete sich bei mir jedoch der Stress zurück, denn mir fiel ein, dass ich mir nur bis zum morgigen Tag Veränderungen ausgedacht hatte, über die ich in meinem Blog berichten konnte – von der kommenden Woche ganz zu schweigen. Als wir nachmittags lange genug in der Sonne gebrutzelt hatten, gingen Jacob und ich hinein und setzten uns mit meinen Eltern und meiner Schwester zu einem Brainstorming an den Küchentisch.
»Kein Laubstaubsauger!«, schlug meine Mutter vor. Aber ich hatte ja gar keinen Rasen.
»Aufhören zu atmen!«, warf Emma ein, was ziemlich daneben war.
»Dir ein Kurbelradio zulegen – so eines habe ich neulich bei Roots gesehen«, sagte Mom. Keine schlechte Idee, aber das bedeutete, etwas Neues zu kaufen, was wiederum nicht so toll ist.
»Aufhören zu essen!«, meinte Emma. Ich stöhnte genervt auf.
» DVD s ausleihen statt kaufen?«, fiel Jacob ein. Das wäre machbar, ich kaufte allerdings nur selten DVD s.
»Könntest du dich auf möglichst umweltfreundliche Weise umbringen?« Emmas deplatzierte Einwürfe nahmen allmählich beängstigende Ausmaße an.
»Hast du schon auf Papierservietten verzichtet?«, fragte Jacob.
Nein! Hatte ich nicht! Super! Ich dankte ihm mit einer herzlichen, von Sonnenmilch klebrigen Umarmung (selbstverständlich war es eine natürliche Sonnenmilch ohne Konservierungsstoffe).
27. AUGUST , 180. TAG
Bei GreenSingles.com auf Online-Partnersuche gehen
»Ich glaube, Jacob hat sich in dich verguckt«, meinte meine Mutter, nachdem Jacob unser Cottage verlassen hatte und nach Toronto zurückgefahren war, von wo aus er dann den weiten Weg zurück ins Westjordanland antreten würde.
»Was? Nein, nein. Völlig ausgeschlossen«, entgegnete ich. Das war wirklich undenkbar. Sonst hätte es doch in den 15 Jahren, die wir uns kannten, schon längst zwischen uns gefunkt. Außerdem lebte er am anderen Ende der Welt und schmatzte manchmal beim Essen, zwei weitere unschlagbare Gegenargumente.
»Trotzdem steht er auf dich, das spüre ich«, beharrte meine Mutter. »Warum versucht ihr zwei es nicht mal miteinander?«
Hatte sie noch alle Tassen im Schrank?
»Äh, nö, Mom«, gab ich barsch zurück. »Das geht nicht.«
»Wieso nicht?«, mischte sich meine Schwester ein, die unbemerkt hereingekommen war, sich ein Bier geholt und binnen drei Sekunden in das Gespräch eingeklinkt hatte. »Er ist intelligent, er ist dünn – was ist dein Problem?«
Sie hatte recht, rein äußerlich gesehen war er mein Typ.
»Ihr versteht das nicht«, sagte ich. »Ich kenne ihn seit 15 Jahren, und die ganze Zeit über waren wir immer nur gute Freunde. Es wäre total schräg, wenn wir was miteinander anfangen würden – außerdem täuscht ihr euch, er ist nicht in mich verknallt, also bitte!«
»Doch«, widersprach meine Mom. »Und jemanden lange zu kennen ist kein Grund, nicht etwas mit ihm anzufangen. Warum sträubst du dich so?«
»Oh Gott«, stöhnte ich. »Weil … weil es eben Jacob ist.« Und dabei beließen wir es.
In diesem Moment stand für mich jedoch eindeutig fest, dass ich in Sachen Beziehung (oder überhaupt erst einmal Dates) mehr Initiative zeigen und mich in die Online-Partnersuche stürzen musste. Allerdings würde ich dafür nicht einen Cent ausgeben und auch nicht endlos durch Seiten scrollen, auf denen irgendwelche Widerlinge aus der Vorstadt im nächstbesten Nachtclub abhängen und »nur ein bisschen Spaß haben« wollten. Bei meiner Suche stieß ich auf GreenSingles.com und fand heraus, dass ich zwei Fliegen mit einer Klappe schlagen konnte: einen Freund finden und das als Öko-Maßnahme
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