Nackt schlafen ist bio
zurückkam, hatte sich die Schlange bereits in Bewegung gesetzt. Meghan machte dem Typen vom Parkservice schöne Augen, aber mir stand der Sinn nicht nach einem Flirt – ich wollte nur so schnell wie möglich in das dunkle Kino, damit niemand sah, wie ich heimlich an einer bösen, Östrogen freisetzenden, importierten Einweg-Plastikflasche nuckelte.
26. AUGUST , 179. TAG
Nur biologisch angebautes Wurzel- und Knollengemüse essen
Endlich: das Cottage. Zeit auszuspannen und nichts zu tun (außer täglich mein Blog zu aktualisieren und mir natürlich weitere grüne Veränderungen einfallen zu lassen – eine Pflicht, die langsam, aber sicher an meiner geistigen Gesundheit kratzte). Mom und Dad hatten eine Hütte auf Hope Island gemietet, einer winzigen Insel in Muskoka, oben im Norden, und dort würde ich fünf Tage verbringen. Ernähren würde ich mich von nichts anderem als kanadischem Bier und fair gehandelten S’mores-Cookies (na ja, zumindest die Schokolade war aus fairem Handel), körperliche Anstrengung war auf Sonnenbaden am Bootssteg beschränkt und mein Gesellschaftsleben auf die Lektüre von Salman Rushdies Mitternachtskinder , das im Wettstreit »Welches Buch nehme ich in den Urlaub mit?« wieder einmal Anna Karenina um Längen geschlagen hatte.
Nachdem ich im Auto meiner Mutter einige selbst zusammengestellte CD s in voller Länge angehört hatte und mehrmals falsch abgebogen war, fand ich schließlich zu dem Kai, an dem meine Schwester mit dem Boot wartete, um mich überzusetzen.
»Hiiii«, sagte – oder besser: trällerte – sie, als sie mich erblickte. Ihr Gang wirkte ein wenig beschwingter als sonst, und es schien ihr auch überhaupt nichts auszumachen, dass sich etliche Haarsträhnen aus ihrem französischen Zopf gelöst hatten. Das sah Emma gar nicht ähnlich, andererseits war sie schon eine ganze Weile hier, und ein Cottage-Urlaub im ländlichen Ontario kann tatsächlich so drastische Auswirkungen haben – er ist wie Valium für die Seele.
Als wir angelegt hatten, stieg ich aus, ließ mich auf das warme Holz des Landestegs fallen und streckte glücklich und zufrieden alle viere von mir. Ich war im Nahen Osten, in Spanien und Oregon gewesen, hatte Stunden über Stunden unter freiem Himmel verbracht, doch nun fühlte ich zum ersten Mal wirklich die Sonne. Ich schloss die Augen, sog die Luft ein und hörte meine Mutter piepsen: »Hallo.«
Nachdem ich wieder zu mir gekommen war, schleppte ich mich die Stufen zum Cottage hinauf, ließ im Wohnzimmer meine Tasche fallen und inspizierte den Inhalt des Kühlschranks. Bislang waren meine Eltern recht gut gewesen, stets biologisch erzeugtes Fleisch aus regionaler Freilandhaltung für mich vorrätig zu haben, wann immer ich bei ihnen zum Essen auftauchte, aber jetzt, da der nächste Lebensmittelladen eine halbstündige Bootsfahrt entfernt war, waren sie darin nachlässig geworden. Die Milch stammte aus konventioneller Viehhaltung, ebenso wie die Würste, die in Styropor und Plastikfolie verpackt waren, und von keiner der Obst- und Gemüsesorten wusste ich etwas über die Herkunft. Das war ein Problem für mich. Denn gerade heute hatte ich allen nicht biologischen Knollengemüsen und Kürbissen abgeschworen, angeregt durch einen halbstündigen Vortrag von Harry in Sunbow, wonach diese tiefwurzelnden Gemüse wesentlich mehr DDT aus dem Boden aufnehmen können als Getreide, Obstbäume oder Blattgemüse.
»Ich habe dir biologische Butterkekse besorgt«, hörte ich hinter mir Mom, als sie die Speisekammer öffnete.
Kekse. Na toll.
Ich meine, klar finde ich S’mores klasse, Kekse, Schokolade, Marshmallows und so, aber sollte ich mich wirklich fünf Tage lang ausschließlich davon ernähren? Mein Körper gewöhnte sich gerade an Sachen wie Quinoa und Grünkohl – was, wenn ich in ein diabetisches Koma fiel? Schließlich rang ich mich zu dem Kompromiss durch, Obst, Gemüse und Brot zu essen, aber Milchprodukte, Fleisch und Eier zu meiden.
So ließ es sich alles in allem aushalten, und die ersten 24 Stunden im Cottage waren Entspannung pur. Doch wenig später meldeten sich meine innere Rastlosigkeit und mein Aktivitätsbedürfnis zurück; aus seligem Nichtstun wurde Ungeduld, und ich sehnte mich nach Gesellschaft. Zu der Zeit mussten die meisten meiner Freunde entweder arbeiten oder waren selbst im Urlaub, doch Jacob hatte sich aus Ramallah losgeeist und seinen regelmäßigen sommerlichen Heimaturlaub in Toronto angetreten. Also rief ich ihn an und
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