Nackt schlafen ist bio
Sophie auf die Couch und schloss die Augen.
Diese Suche nach einem Freund mit Umweltbewusstsein wurde allmählich so frustrierend, dass ich sie schon fast aufgeben wollte. Aber irgendwie dachte ich auch, wenn ich im Heartbreak Hotel festsitze und meine große Liebe hinter der Tür auf mich wartet, ist die Lösung vielleicht nicht, immer wieder dagegenzudrücken, sondern es mal mit Ziehen zu versuchen. Schließlich sind oft die einfachsten Methoden die wirkungsvollsten – ja, vielleicht hatte ich meinen Traumprinzen ja schon gefunden und es nur noch nicht gemerkt. All diese Gedanken schwirrten mir durch den Kopf, bis es mir in den Ohren klingelte. Aber Moment mal, das war … mein Telefon.
»Hallo?«, meldete ich mich.
»Hi«, sagte eine Stimme. Eine lässig klingende Männerstimme.
Es war Mark.
Als wir uns vor ein paar Wochen am Flughafen von Portland zum Abschied umarmt hatten, dachte ich, ich würde ihn nie wiedersehen – ein Sommer-Techtelmechtel mit einem Hippie, weiter nichts. Doch dann schickte er mir mehrere längere E-Mails, in denen er auf mein Öko-Vorhaben einging und von unserer gemeinsamen Zeit schwärmte, außerdem eine Reihe von SMS , einfach nur um Hallo zu sagen, als ich oben in dem Cottage war. Ich hatte mir nicht die Mühe gemacht, darauf zu reagieren, zum einen, weil die Telefonverbindung auf der Insel miserabel war, zum anderen, weil Jacob und ich so beschäftigt waren, herauszufinden, wer die schönste Arschbombe hinbekam, oder mit mitternächtlichen Gesprächen auf dem Steg, Marshmallow-Experimenten und so weiter. Sicher war Mark ein netter Kerl. Aber ehrlich gesagt, wenn ich mit Jacob alte Erinnerungen an einen misslungenen Tanzabend in der elften Klasse aufwärmte, Fragen wie der nach kulturübergreifendem Verständnis füreinander oder den Bedingungen wahren Glücks auf den Grund ging oder einfach nur mit ihm auf der Couch lümmelte, zum achten Mal Shining guckte und mich im Wissen darum, dass diese Freundschaft ein Leben lang halten würde, so richtig wohlfühlte – nein, da wollte ich wirklich keine strategisch durchdachte SMS an einen Typen schreiben, den ich nie wiedersehen würde.
Doch nun saß ich hier und redete mit Mark, und mir ging durch den Sinn, um wie viel normaler er doch war als all diese Kandidaten von GreenSingles.com. Gegen Ende unseres Gesprächs sagte er etwas in der Art, dass er vorhabe, seine Eltern an der Ostküste zu besuchen, und auf dem Rückweg über Toronto fliegen könnte. Er wolle sich nicht aufdrängen, meinte er, aber ob ich vielleicht Lust hätte, mit ihm ein paar Tage, vielleicht sogar eine Woche, zu verbringen? Ich brauchte ein paar Sekunden, ehe ich in der Lage war zu antworten – ich konnte mich nicht einmal erinnern, wann ich das letzte Mal einen Auslandsanruf mit sexuellen Avancen bekommen hatte, geschweige denn einen von einem 39-jährigen Veganer aus Oregon.
»Ich glaube«, sagte ich schließlich, »das wäre mir recht.«
29. AUGUST , 182. TAG
Selbst Marmelade machen und Obst einkochen
Marmelade einzukochen klang für mich immer nach einer schrecklich profanen Tätigkeit, ungefähr so spannend wie eine neue Batterie für die Armbanduhr zu kaufen oder den Duschvorhang sauber zu machen. In meiner Vorstellung ist es auch das typische Mitbringsel für Leute, die man überhaupt nicht kennt und auch nicht wirklich mag, im Stil von: »Hallo, ich hab hier ein Glas Kariesbeschleuniger für dich … damit schmeckt der Toast vielleicht nicht ganz so fade.«
Doch da ich mir nun einmal Lebensmittelkonservierung auf die Fahnen geschrieben habe und Vorkehrungen gegen den Skorbut treffen muss, der mich sonst möglicherweise im Winter ereilt – wenn ich mich nämlich ausschließlich von Erzeugnissen aus der Region Ontario ernähre und zum Frühstück Kohl mampfe –, habe ich heute Marmelade eingekocht.
Das Rezept und die Anleitungen stammten von Crunchy Chicken, einer gleichgesinnten Öko-Bloggerin aus Seattle, und waren verblüffend einfach, wahrscheinlich weil ich mich nicht streng daran hielt, sondern eher »kreativ« damit umging. Was Blanchieren hieß, wusste ich nicht so genau, und ich hatte auch keine Ahnung, woher Pektin kommt und ob es umweltverträglich ist. Aber irgendwie gelang es mir, alles zusammenzubekommen, in einen Topf zu werfen und sacht köcheln zu lassen, was das Höchste ist, was mir meine grünen Verhaltensregeln gestatten. Ich rührte um, bis die Masse anfing zu blubbern und zähflüssig zu werden. Dann goss ich sie in
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