Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
Vom Netzwerk:
Höfel beschwichtigte und wandte sich Rose zu: »Hier werden keine Zicken gemacht. – Das Kind bleibt nur diese Nacht bei uns, morgen bringen wir es fort.« {Kropinski horchte verwundert auf. Pippig schwieg. Wollte Höfel nur ablenken? –} Die Häftlinge wollten das Kind sehen. Sie schlichen nach dem Winkel. Kropinski hob vorsichtig den Mantel hoch. Einer über die Schulter des andern äugend, betrachteten sich die Männer das kleine Ding. Es lag wie ein Engerling zusammengerollt und schlief. Über die Gesichter der Häftlinge ging ein Glänzen, sie hatten lange kein Kind mehr gesehen. Staunten! »Wie ein richtiger, kleiner Mensch …«
    Höfel ließ sie sich sattsehen{, dann bat er leise: »Lasst es schlafen, Kumpel, und sprecht mit niemand darüber.«}.
    Kropinski strahlte über seinen Besitz. Er legte sanft den Mantel um das Atmende, als die Häftlinge auf den Zehenspitzen den Winkel verließen. An diesem Abend hockten sie untätig herum, im Schreibbüro und auf der langen Tafel, schwatzten und freuten sich, und keiner wusste eigentlich warum. Am glücklichsten war Kropinski. »Ist kleines Polenkind«, lachte er immer wieder und legte seinen ganzen Stolz darein.
     
    Pippig merkte, dass Höfel ihm auswich. Nach Arbeitsschluss, in der Baracke ihres Blocks, setzte er sich zu ihm an den Tisch und sah zu, wie er lustlos die kalt gewordene Suppe löffelte.Höfel spürte mit innerer Abwehr die Frage in Pippigs Schweigen, er warf den Löffel in die Schüssel und erhob sich.
    »Das Kind soll wieder fort?«
    Höfel winkte Pippigs Frage ab, zwängte sich durch die vollbesetzte Tischreihe und ging zur Waschkaue hinaus, um die Schüssel zu spülen. Pippig folgte ihm. Hier waren sie allein.
    »Wohin willst du es denn geben?«
    Diese ewige Fragerei! Höfel zog unmutig die Brauen zusammen.
    »Lass mich in Ruhe damit.«
    Pippig schwieg. Einen solchen Ton war er an Höfel nicht gewohnt. Das fühlte dieser und fuhr, teils in Ärger, teils in Verteidigung, Pippig unwirsch an: »Ich habe meine Gründe. Es kommt morgen fort. Frage nicht!«
    Er verließ die Waschkaue. Pippig blieb zurück. Was war in Höfel gefahren? –
    Der hatte schnell den Block verlassen. Draußen ging noch immer der durchdringende Sprühregen nieder. Höfel schauerte und zog die Schultern zusammen. Es reute ihn, Pippig so unwirsch behandelt zu haben. Doch er konnte dem Braven die Gründe seiner Weigerung nicht nennen, die tiefstes Geheimnis waren. Weder Pippig noch ein anderer wusste davon, dass er, der frühere Feldwebel einer Reichswehrgarnison in Berlin und Mitglied der damaligen Parteizelle, hier im Lager einer der militärischen Ausbilder der internationalen Widerstandsgruppe war. Niemand wusste davon.
    Aus dem Internationalen Lager-Komitee war im Laufe der Zeit das Zentrum des Widerstands geworden. Ursprünglich hatten sich die Genossen der Partei als Vertreter ihrer Nationen im Internationalen Lager-Komitee, dem ILK, vereinigt, um unter Tausenden der Zusammengetriebenen eine Gemeinschaft zu bilden, die Verständigung unter den Nationalitäten herzustellen und mit Hilfe der Besten unter ihnen das Solidaritätsgefühl zu wecken, das keinesfalls von Anfangan vorhanden gewesen war. {Die Masse der Häftlinge war nicht einheitlich im Denken und Handeln.} Allein bei den deutschen Häftlingen gab es einige Blocks, die mit sogenannten Berufsverbrechern belegt waren. Unter ihnen wiederum eine große Anzahl von {Ganovenelementen}, die sich, um persönlicher Vorteile willen, zu willfährigen Subjekten der SS herabwürdigten, sie steckten mit den Block- und Kommandoführern unter einer Decke, wurden zu deren Zuträgern und zu Zinkern{, wie es im Lager hieß, und gefährdeten in vielen Fällen anständige Häftlinge, die sich nicht dazu hergaben, Kameraden zu schikanieren}. Auch unter den politischen Häftlingen gab es in allen Blocks und bei allen im Lager befindlichen Nationalitäten unsichere Elemente, denen die Angst um das eigene Leben höher stand als das Wohl und die Sicherheit der Gemeinschaft.
    Denn nicht jeder, der einen »roten Winkel« trug, war tatsächlich ein »Politischer«, das heißt ein bewusster Gegner des Faschismus; schon »Meckerer« und sonstige von der Gestapo aufgegriffene missliebige Personen bekamen den roten Winkel des Politischen, so dass die Zusammensetzung in den Blocks der Politischen vom »labilen« Charakter bis zum latenten Verbrecher reichte und mancher Insasse eigentlich den grünen Winkel der Berufsverbrecher hätte tragen

Weitere Kostenlose Bücher