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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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flüsterte ihm beruhigende polnische Worte zu.
    »Das verhält sich bestimmt ruhig«, sagte Höfel dumpf. Er presste die Lippen aufeinander. Wieder blickten sich die drei Männer an. Einer erwartete vom andern eine Entscheidung in diesem ungewöhnlichen Fall. Höfel, in Sorge, dass ihr Fernbleiben von Zweiling bemerkt werden könnte, zog Pippig mit sich. »Komm, wir müssen nach vorn«, und zu Kropinski: »Bleib hier, bis wir abrücken.«
    Kropinski legte das starre Bündel in den Koffer zurück, die Hände zitterten ihm, als er aus einigen Mänteln eine Liegestattbereitete. Zart legte er das Kind darauf nieder, deckte es zu und zog ihm behutsam die Händchen vom Gesicht. Er merkte dabei das leise Widerstreben des Kindes, dessen Augen krampfhaft zugekniffen blieben.
    Als Pippig ein wenig später mit etwas Kaffee und einem Stück Brot in den Winkel zurückgehuscht kam, war es Kropinski inzwischen gelungen, das Kind so weit zu beruhigen, dass es die Augen wieder geöffnet hatte. Kropinski setzte es aufrecht und reichte ihm die Aluminiumtasse. {Durstig trank das Kind.} Pippig hielt ihm ermunternd die Brotscheibe entgegen. Doch das Kind griff nicht zu.
    »Angst hat es«, meinte Pippig und schob ihm das Brot zwischen die Händchen. »Iss«, nickte er freundlich.
    »Musst nun essen und schlafen und {musst nicht} haben gar keine Angst«, flüsterte Kropinski. »Guter Bruder Pippig passen auf und ich auch, und ich werde dich mitnehmen zurück nach Polen.« Er zeigte lächelnd auf sich. »Da ist kleines Haus von mir.« Das Kind blickte ernst zu Kropinski hoch, gespannte Aufmerksamkeit im Gesicht. Ein wenig öffnete es den Mund. Unvermittelt und tierflink kroch es unter die Mäntel. Einige Augenblicke warteten die beiden{, aber das Kind kam nicht wieder zum Vorschein}. Vorsichtig hob Kropinski den Mantel hoch. Das Kind, auf der Seite liegend, kaute am Brot. Zart deckte es Kropinski wieder zu, und sie verließen den Winkel, dessen Eingang sie mit einem Sackstapel verstellten. Sie lauschten. Dahinter blieb es still.
    Als sie nach vorn kamen, sammelten sich die Häftlinge des Kommandos bereits zur allabendlichen Kontrolle. Die Effektenkammer gehörte zu den »Kommandierten«, die längere Arbeitszeit hatten und darum am allgemeinen Lagerappell nicht teilnahmen. Sie wurden vom Kommandoführer, einer unteren SS-Charge, am Arbeitsplatz gezählt und dem Rapportführer gemeldet, der sie dem Gesamtbestand zurechnete. Soeben trat Zweiling aus seinem Zimmer, die beidenhuschten noch schnell in die Reihe. Höfel spielte vor dem Hauptscharführer Theater, um das verspätete Kommen der beiden zu bemänteln, und knurrte ärgerlich: »Wollt wohl ’ne Extraeinladung haben?«
    Er nahm vor Zweiling mit der Mütze in der Hand Haltung ein und meldete: »Kommando Effektenkammer, 20 Häftlinge zum Appell angetreten.« Darauf trat er zu den anderen ins Glied.
    Zweiling stakte zählend die Reihen ab.
    In Höfel war alles voll gespannter Aufmerksamkeit. Krampfhaft lauschte er nach hinten. Würde sich das Kind nicht dennoch fürchten und schreien?
    Zweiling gab, nachdem er durchgezählt hatte, mit lässiger Hand ein Zeichen, es bedeutete »Wegtreten«. Die Reihen lösten sich auf, und die Häftlinge gingen an ihre Beschäftigung zurück. Nur Höfel stand noch, er hatte Zweilings Zeichen nicht bemerkt.
    »Was ist denn?«, fragte ihn dieser mit seiner ausdruckslosen und teigigen Stimme.
    Höfel erwachte und erschrak.
    »Nichts, Hauptscharführer.«
    Zweiling trat zur Tafel und unterschrieb die Bestandsmeldung.
    »An was dachten Sie denn jetzt?«
    Es sollte leutselig klingen.
    »An nichts Besonderes, Hauptscharführer.«
    Zweiling schob die Zunge auf die Unterlippe, so machte er es, wenn er lächelte.
    »Sie waren wohl schon zu Hause, was?«
    Höfel zog die Schulter hoch: »Wieso?«, fragte er verständnislos. Zweiling antwortete nicht. Mit einem vielsagenden Lächeln ging er ins Zimmer. Kurz darauf verließ er die Kammer, um die Bestandsmeldung abzugeben. Er hatte den braunen Ledermantel an, ein Zeichen dafür, dass er nicht wiederzurückkommen würde. Die Schlüssel zur Kammer hatte Höfel nach Arbeitsschluss bei der Torwache abzugeben.
    Im Schreibbüro drängten sich die Häftlinge neugierig um Höfel zusammen und wollten Näheres wissen, denn Rose hatte gequatscht. Er verteidigte sich lärmend, als er von Höfel zurechtgewiesen wurde.
    »Ich mache die Zicken nicht mit.«
    Die Häftlinge rumorten durcheinander. »Wo ist denn das Kind?« – »Ruhe!«

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