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Nackt unter Wölfen

Nackt unter Wölfen

Titel: Nackt unter Wölfen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: B Apitz
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müssen. Zwischen den Blocks der Deutschen und der Ausländer, der Polen, Russen, Franzosen, Holländer, Tschechen, Dänen, Norweger, Österreicher, und vieler anderer Häftlingskategorien wollte anfangs wegen der Unterschiedlichkeit der Sprache und anderer Hinderungsgründe keine Verständigung entstehen. Die Genossen, die sich im ILK zusammengefunden hatten, mussten erst viele Schwierigkeiten überwinden, ehe es ihnen gelang, das Misstrauen der ausländischen Häftlinge zu beseitigen, die sich nur schwer daran gewöhnen wollten, in den deutschen Häftlingen {im deutschen, faschistischen Konzentrationslager} Kameradenzu sehen. {Glich doch einer dem anderen, und sah man keinem an, ob unter den Häftlingslumpen, die sie alle trugen, ein aufrichtiges Herz schlug.} Eine zähe und geheime und daher auch gefährliche Arbeit der Genossen des ILK war notwendig, um den Gedanken der Zusammengehörigkeit unter den Tausenden zu wecken und ihr Vertrauen zu gewinnen. In jedem Block schafften sich die Genossen Vertrauensmänner, und langsam fasste das ILK unter den Häftlingen Fuß, ohne dass auch nur ein Einziger das Vorhandensein einer so geheimen Verbindung ahnte. Keiner der Genossen vom ILK stand im Lager an exponierter Stelle oder machte von sich reden. Schlicht und unauffällig lebten sie. Bogorski im Badekommando, Kodiczek und Pribula als Fachkräfte in der Optikerbaracke, van Dalen als einfacher Pfleger im Revier, Riomand als französischer Koch im SS-Kasino, wo er von den Feinschmeckern sehr geschätzt wurde, und Bochow saß als untergeordneter Blockschreiber im Block 38. Hier hatte sich der ehemalige Landtagsabgeordnete der Kommunistischen Partei von Bremerhaven für sich selbst und seine gefährliche Aufgabe eine sichere Zuflucht geschaffen. Sein Geschick, mit der Redisfeder umzugehen und gute Druckschrift zu schreiben, hatte ihn dem lächerlich dummen Blockführer, einem Unterscharführer, wertvoll gemacht. Für ihn musste Bochow Dutzende von Zeichenkartons mit sinnigen Sprüchen beschriften. Und so malte Bochow: »Meine Ehre heißt Treue« – »Ein Volk, ein Reich, ein Führer«. Der Unterscharführer vertrieb die Spezialitäten unter seiner Bekanntschaft und machte sich ein einträgliches Nebengeschäft daraus. Er kam gar nicht auf den Gedanken, dass sein geschickter Blockschreiber im Lager etwas anderes sein könnte als sein »harmloser« Häftling.
    Bochow war es gewesen, der auf einer Besprechung des ILK André Höfel als militärischen Ausbilder für die Widerstandsgruppenvorgeschlagen hatte. »Ich kenne ihn, er ist ein alter, guter Kumpel, werde mit ihm sprechen.«
    Als Bochow vor einem Jahr nach dem Abendappell mit Höfel in einsamer Gegend hin und her gegangen war, weil das, was Bochow zu sagen hatte, von niemandem gehört werden durfte, war es ein gleicher Regenabend gewesen wie heute. Der Fünfzigjährige war neben ihm, dem schlanken und um zehn Jahre jüngeren Höfel, hergestapft, die Hände in den Taschen vergraben. Bochows sonore, gedämpfte Stimme hatte Höfel in den Ohren geklungen. Satz um Satz hatte Bochow abgewogen, um nur so viel zu sagen, wie Höfel wissen durfte. »Wir müssen uns vorbereiten, André … aufs Ende … internationale Kampfgruppen … verstehst du? … Waffen …«
    Überrascht hatte Höfel aufgesehen, und Bochow hatte eine mögliche Frage mit kurzer Handbewegung abgeschnitten: »Davon später, jetzt nicht.«
    Und zum Schluss, als sie sich trennten: »Du darfst niemals auffallen, auch nicht mit der geringsten Sache, verstanden?«
    Das war vor einem Jahr gewesen, und seitdem war alles gutgegangen. Höfel wusste inzwischen auch, woher die Waffen kamen, über die Bochow damals nicht sprechen wollte. – Häftlinge hatten Hieb- und Stichwaffen in den verschiedenen Werkstätten des Lagers heimlich gebastelt. Sowjetische Kriegsgefangene stellten auf den Drehbänken der Weimarer Rüstungsbetriebe, in denen sie arbeiten mussten, Handgranaten her und schmuggelten sie ins Lager, und Fachleute, die im Häftlingsrevier und in der pathologischen Abteilung des Lagers arbeiteten, verstanden es, aus abgezweigten Chemikalien Sprengladungen für die Handgranaten zu mixen. Das wusste Höfel nun alles, und wenn er abends am heimlichen Ort den Kameraden der Gruppen die Handhabung der Waffen lehrte, freute er sich besonders, die Unterweisung an einer 7,65 mm Walther-Pistole vornehmen zu können. DieseWaffe war dem Zweiten Lagerführer Kluttig bei einem der Saufgelage im SS-Führerheim geklaut worden.

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