Nackt unter Wölfen
sind nicht zur Vernunft zu bringen.«
{Mit wenig Hoffnung auf Trost für die Armen entgegnete Pippig}: »Sperr sie raus und lass nur so viel Mann an den Kessel, wie du Schüsseln hast.«
»Dann brüllen sie draußen wie die Löwen.«
Pippig wusste keinen Trost mehr, er spähte mit langem Hals in dem Gewirr umher.
»Hast du einen Jankowski unter den Zugängen?«
»Wird schon einer da sein.«
Der Blockälteste versuchte, den Lärm zu überschreien.
»Jankowski!« Aber es war nur ein klägliches Gekrächz.
Pippig hielt selber Umschau nach dem Polen. Jankowski stand in einer Ecke, hatte die Hände unter dem Kinn verkrampft und schaute dem Schauspiel zu. Als er Pippig gewahrte, ging ein Erkennen über sein Gesicht; er lief auf den Deutschen zu.
»Du! Du! Wo ist Kind?«
Pippig hielt warnend den Finger an den Mund und winkte Jankowski, mit ihm zu kommen.
Krämer hatte mit Pröll zu tun, der die Liste für den Transport {nach Bergen-Belsen} fertig machte.
Eintausend Insassen des Kleinen Lagers mussten fortgeschickt werden. Buchenwald brauchte Luft. {Es kam nicht auf die Menschen an, sondern nur auf die Zahl.} Pröll hatte die Gesamtstärke des Transports auf die einzelnen Blocks im Kleinen Lager aufgeteilt, und die Blockältesten würden aufatmen. Brachte ihnen doch der Transport wieder ein wenig Platz in den überfüllten Pferdeställen.
Die Zusammenstellung der einzelnen Trupps blieb den Blockältesten überlassen, die mit ihren Stubendiensten und Blockschreibern gemeinsam unter den Insassen {Auslese hielten}. Es waren bei jedem Transport immer die Hinfälligsten, die bestimmt wurden. {Menschenschrott, der auf einem Haufen zusammenkam. Hätte man so einem Blockältesten zugerufen: »Mann, was tust du da? Das sind doch alles Halbtote, die du zusammentreibst!«, dann würde er verwundert geantwortet haben: »Eben deshalb. Was sollen wir damit?«}
Das erbarmungslose Gesetz der Notwehr hielt traurige {Ausschau unter den Ärmsten der Armen. Die Guten ins Töpfchen, die Schlechten ins …}.
Ein unangenehmes Schweigen war zwischen den beiden Lagerältesten. Pröll stand neben dem am Tisch sitzenden Krämer, der mit vorgeneigtem Kopf die Transportliste studierte, die Pröll ihm gegeben hatte. Von unten her sah er zu Pröll hoch und zog dabei die Stirn kraus. Die beiden sagten nichts, doch hinter jeder Stirn schienen die gleichen Gedanken zu sein. In Prölls Mundwinkeln hatte sich ein verlegenes Lächeln versteckt, das jetzt schüchtern hervorkroch und sich kräuselte.
»Das sind wieder tausend {Leichen, die auf die Reise gehen}…«
Krämer schob die Unterlippe hoch, drückte die Ellenbogen breit ausladend auf den Tisch und blickte auf seine übereinandergelegten Hände.
»Manchmal denke ich«, sagte er leise, »manchmal denke ich, wir sind doch eine verdammt hartgesottene Gesellschaft geworden …«
Obwohl Pröll verstanden hatte, fragte er dennoch:
»Wir? Wen meinst du?«
»Uns!«, antwortete Krämer schonungslos und stand auf, trat zum Fenster, steckte die Hände in die Hosentaschen und blickte hinaus auf den weiten Appellplatz. Dort oben lag das breitgestreckte flache Torgebäude mit dem Turm. Zwölf riesige Scheinwerfer waren an seinem Dach montiert. Sie spien ihr unbarmherziges Licht über den Platz in die Finsternis, wenn abends oder morgens das Lager angetreten war, und zersäbelten mit ihren grellen Messern die müden Gesichter. Rund um den Turm der Laufgang, auf dem sich die Posten jetzt in der märzlichen Morgenkühle die Beine vertraten. Schnuppernd steckte das schwere Maschinengewehr seine Schnauze über das Geländer des Ganges ins Lager hinein.
Häftlinge, einzeln, zu zweien oder in Rudeln, gingen auf dem Appellplatz hin und her, zum Tor hinaus oder kamen ins Lager herein. In strammer Haltung, mit der Mütze in der Hand, meldeten sie sich am Schalterfenster. Der Blockführer, der den Tordienst versah, fertigte sie ab. Der hatte wieder Stinkwut, brüllte herum, trat den Häftlingen ins Kreuz, wuchtete die Faust in manches Genick.
Krämer sah es ohne Anteilnahme. {Das tägliche Bild.} Er dachte an den Auftrag, der ihn so unzufrieden gemacht hatte. Was war um das Kind? Gefahr? Um das Kind? Ausgeschlossen! Es gab bestimmt einen Zusammenhang zwischen ihm und Höfel. Wenn man ihn nur wüsste, dann könnte man das Kind vielleicht … Diese verdammte Heimlichtuerei des Bochow … Blind und unwissend ließ er ihn.
»Frag nicht, tu, was ich dir sage. {Die Partei verlangt es.}«
{Krämer zog die
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