Nackt unter Wölfen
notwendig ist, verstehst du es nicht? Es geht um deinen Schutz!«
»Um den Schutz eines Kindes geht es! {Du verlangst von mir, du – ihr – was weiß ich – ihr verlangt von mir, dass ich blind und stur ein Kind in den Tod schicke!}«
{»Wer sagt, dass das Kind in den Tod …«
»Bergen-Belsen! Genügt das? Ich bin doch kein kalter Mörder!«
Mit einer scharfen Zurechtweisung schnitt Bochow Krämers Zorn ab, der bedrängte ihn und} verlegte sich aufs Bitten:
»Geht es nicht anders mit dem Kind? Ich verstecke es! Na? Hm? Verlass dich darauf, bei mir ist es sicher.«
Für einen Augenblick schien es, als wolle Bochow nachgeben, doch dann wehrte er umso heftiger ab:
»Ausgeschlossen! Ganz ausgeschlossen! Das Kind muss aus dem Lager! {Schnellstens!} Sofort!«
{Krämer presste verzweifelt die Lippen zusammen. In einem starken Solidaritätsgefühl, das ihm das Herz warm machte, rüttelte Bochow den finster vor sich Hinstarrenden an der Schulter.}
»Es mag hart sein, was ich von dir verlange, zugegeben. Aber die Bedingungen sind hart. Natürlich geht es um Höfel, warum soll ich es dir verschweigen, wenn du es doch weißt. Ich will dir noch mehr sagen. Du sollst wissen, dass ich nicht am Illegalitätsfimmel leide. Höfel sitzt an einem empfindlichen Punkt. Hör zu, Walter! An einem sehr empfindlichen. Wenn hier die Kette reißt, dann können alle Glieder fallen.« Bochow schwieg einen Augenblick. Seine Worte hatten Krämer stumm gemacht, er sah finster vor sich hin. Um Krämer das Unmögliche seines Wunsches deutlich zu machen, nahm Bochow dessen Gedanken auf.
»Du nimmst Höfel das Kind weg und versteckst es irgendwo. Gut. Kannst du damit auch die Tatsache verstecken, dass das Kind von Höfel kommt? Ein Zufall kommt dazwischen, und das Kind wird gefunden …«
Krämer hob die Hände. Bochow ließ sich nicht unterbrechen.
»Ein Zufall nur, Walter, wir haben doch Erfahrung, Mann. Eine Kleinigkeit genügt, um die sicherste Sache – siehst du, eine solche Kleinigkeit ist das Kind. Du kannst es doch nicht vergraben wie eine tote Katze. Irgendeiner wird um das Kind sein müssen. Der Irgendeine kommt in den Bunker … und verrät dich.«
Jetzt ließ sich Krämer nicht mehr zurückhalten, er lachte breit und satt.
»Die schlagen mich eher tot, als dass ich …«
»Ich glaube dir, Walter«, entgegnete Bochow mit Wärme. »Ich glaube dir unbedingt. Und was ist dann, wenn du tot bist?«
»Na, was ist dann«, triumphierte Krämer.
»Dann ist noch immer das Kind.«
Und wieder triumphierte Krämer: »Na also!«
Bochow lächelte schmerzlich:
»Siebentausend sowjetische Offiziere haben bei uns den Genickschuss erhalten, und keiner von ihnen ahnte, dass der SS-Mann im Arztkittel, der ihn an die Messlatte stellte, sein Mörder war …«
»Was hat das mit dem Kind zu tun?«, polterte Krämer unwillig.
Mit starker Eindringlichkeit fuhr Bochow fort:
»Von dir erfahren sie nichts mehr, du bist tot. Aber du kennst doch ihre Methoden. Wer sagt, ob sie das Kind nicht nach Weimar schleppen. Dort wird es irgendeiner instruierten Nazitante auf den Schoß gesetzt: du kommst aus dem Lager Buchenwald, du armes Wurm. Wie heißt denn der gute Onkel, der dich vor der bösen SS versteckt hat?«
Krämer horchte auf. »Und die gute Tante fragt so lange auf das Kind ein, auf Deutsch, auf Russisch, auf Polnisch, je nachdem, was das Kind versteht, bis es … Und dann, Walter, ist niemand mehr da, der Höfel mit seinem breiten Buckel abdeckt …« Bochow hatte genug gesagt. Er schob die Hände in die Taschen, und die beiden Männer schwiegen, bis endlich Krämer nach schwerem Entschluss sagte: »Ich … gehe nachher zu Höfel …«
Er hatte sich durchgerungen. Bochow schenkte dem Freund ein warmes Lächeln.
»Es ist ja nicht gesagt, dass das Kind {in Bergen-Belsen} … Ich meine, hat es der Pole bis hierher gebracht, dann wird er es auch noch weiter bringen. {Glück und Zufall, Walter.} Sosehr wir den Zufall {hier} fürchten, so sehr wollen wir ihn {dort} erhoffen. Mehr können wir nicht tun.«
Krämer nickte stumm. Für Bochow bedeutete es den Abschluss dieser Sache.
»Der Sanitrupp«, sagte er, zu dem anderen Problem übergehend, »hier müssen wir sehr schnell schalten.« Sein erster Gedanke war gewesen, den Trupp als Nachrichtentruppe einzubauen. Die Gelegenheit war zu verlockend. Doch dann waren ihm Zweifel gekommen. Kluttig suchte. Bochow rieb sich den borstigen Schädel.
»Wüsste man nur, was sie wollen.«
»Die Sache wird
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