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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Geld da, aber mit großer Wonne schenkte er uns teure Golfschläger-Garnituren in Kindergrößen, die in den dunklen Ecken unserer Kinderzimmer lehnten, in Taschen aus von der Katze zerfetztem Segeltuch, sodass wenigstens die Katze was davon hatte. Er kaufte einen grünen Teppich fürs Wohnzimmer und rief uns zu sich, damit wir seine Haltung begutachten konnten, wenn er Bälle in einer Kaffeekanne versenkte. Das Drivingrange, die Einlochzeremonie –, er kapierte es einfach nicht. Wir wollten keine Ratschläge, um unseren Schwung zu verbessern, wir wollten nur in Frieden gelassen werden, um Hexerei zu betreiben, Modepuppen zu verunstalten oder einfach privat auf der Stube zu sitzen und uns Phantasien hinzugeben, die mit allem außer Golf zu tun hatten. Er hatte gehofft, der Job als Caddy würde uns das Verständnis dieses Spiels erschließen. Meine Schwestern und ich brachen unter dem Gewicht seiner Schläger zusammen und waren kaum bei Bewusstsein, wenn er ein NeunerEisen oder einen Sandkeil verlangte. Als Caddy hatte man einen undankbaren Job, besonders in North Carolina, wo Mitte März die Luftfeuchtigkeit hoch genug ist, dass Papier sich kräuselt. Achtundneunzig Grad am zweiten Loch, und wir sackten zerknautscht aufs Green, im Ohr das Geschrei und Geplanschte von Kindern in unserem Alter, die sich im nahen Schwimmbad vergnügten.
    Das Turnier zog sich hin, und als wir das vierzehnte Loch erreichten, fing Lisa an zu bluten; der rostrote Fleck war bereits auf ihrem weißen Hosenrock zu sehen. Sie war den Tränen nahe, sonnenverbrannt und verängstigt, und dann flüsterte sie meinem Vater etwas ins Ohr. «Wir sagen einfach einem der Mädels Bescheid», sagte mein Vater. «Die kümmern sich um dich.» Er wandte sich an eine hübsche weißhaarige Frau, die einen limettenfarbenen Mützenschirm ohne Mütze und einen Rock mit einem Grinsende-Pandas-Muster trug. «He, Schätzchen, ob Sie mir wohl mal bei einem persönlichen Problem behilflich sein könnten?» Wie mein Vater war diese Frau diesen Spielern von Loch zu Loch gefolgt, hatte sich jede einzelne ihrer Bewegungen notiert. Sie war an jenem Tag gekommen, sich im Glanz der Meister zu sonnen, und nun ersuchte sie ein fremder Mann, seine Tochter ins Klubhaus zu begleiten und sie mit einer Damenbinde zu versehen.
    Die Anrede «Schätzchen» schien ihr nicht zu behagen, und ihre Nackenhaare sträubten sich, als mein Vater, den Blick immer noch fest auf den Ball geheftet, vorschlug, dass sie, wenn sie sich ein bisschen spute, bis zum nächsten Abschlag leicht wieder zurück sein könne. Sie sah meinen Vater an, als wäre er etwas, was sie sich von der Sohle gekratzt hat. Es war ein vernichtender Blick, der sich milderte, als er die Richtung wechselte und auf Lisa zu ruhen begann, die zutiefst betreten zu Boden starrte und mit hohlen Händen den Fleck zu verbergen suchte. Die Frau nickte, legte meiner Schwester die Hand auf die Schulter und geleitete sie widerstrebend zu einem entfernten Gebäudekomplex. Ich verstand das Problem nicht, wäre ihnen aber liebend gern gefolgt, meinte vielleicht auch, wir könnten diese Frau dazu überreden, uns nach Hause zu fahren, nur weg, fort von dieser drückenden Monotonie und aus dieser grausamen, erbarmungslosen Sonne heraus. Als Lisa weg war, war nur noch ich dafür verantwortlich, die zersplitterten Tees aufzusammeln und die Wettbewerbsteilnehmer mit Autogrammwünschen zu behelligen. «Lou», sagte ich und hielt ihnen die Zählkarte meines Vaters hin. «Lou heiße ich.»
    Als es endlich vorbei war, kehrten wir zum Parkplatz zurück, wo wir Lisa auf dem Rücksitz des Porsches ausgestreckt vorfanden, Gesicht und Schoß mit sogenannten Golf-Handtüchern bedeckt.
    «Sag es nicht», drohte sie. «Was es auch ist, ich will es nicht hören.»
    «Ich wollte sowieso nur sagen, dass du deine dämlichen Füße vom Polster runternehmen sollst», sagte mein Vater.
    «Weißt du was? Fick dich doch einfach selbst ins Knie.» Sobald sie das gesagt hatte, setzte Lisa sich blitzschnell kerzengerade auf, als könnte sie das Wort noch mit den Zähnen auffangen, bevor es die Ohren unseres Vaters erreichte. Keiner von uns hatte je so mit ihm gesprochen und jetzt musste er sie umbringen; er hatte keine andere Wahl. Eine Schwelle ohne Präzedenzfall war überschritten worden, und sogar die Zikaden stellten ihren Lärm ein, vor dem Wort verstummt, welches in der Luft hing wie ein Wölkchen Pulverdampf.
    Mein Vater seufzte und schüttelte enttäuscht den

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