Nackt
Geschäftsführer zu sprechen verlangt. «Zu Hause kriege ich haargenau diese Honigmelone für weniger als die Hälfte», sagt er. Die Geschäftsführer raten ihm unweigerlich, nach Hause zu fahren und dort Honigmelonen zu kaufen. In schicken Restaurants schreit er die Kellner an und weigert sich zu warten, bis ein Tisch frei wird. «Ich habe einen Freund», sage ich ihm, «der den rechten Arm verloren hat, weil er mit den Fingern nach einem Ober geschnipst hat.»
«Ach, ihr Kinder», sagt er. «Ihr habt doch alle keinen Teelöffel voll Grips. Ich weiß nicht, woher ihr das habt, aber früher oder später wird es euch umbringen.»
Das Open der Damen
M eine Schwester Lisa wurde am vierzehnten Loch des Pinehurst-Golfklubs zur Frau. Das sagte ihr die Fremde, die sie zum Damenklo geleitet hatte. «Mach dir keine Sorgen, Kleines, du bist jetzt eine Frau.»
Wir waren ohne eigenes Verschulden dort gelandet, unser Vater hatte uns geschanghait und Lisa und mir einen kleinen Ausfug in seinem neuen Gebraucht-Porsche angeboten. Seine sorbetfarbene Hose hätte uns warnen sollen, da aber keine Golfschläger auf dem Rücksitz lagen, dachten wir, es könne gar nichts passieren.
«Nur eine kleine Spritztour», sagte mein Vater. Er klappte das Verdeck zurück und klemmte sich auf den Fahrersitz. «Wir brettern einfach mal rasch zum Rummelplatz und zurück, und dann fahren wir an der Vollzugsanstalt vorbei und sehen den Jungs auf dem Sportplatz beim Training zu –, das seht ihr doch immer so gern. Vielleicht fahren wir auch noch ein Stückchen Autobahn und holen uns ein bisschen Softeis, wer weiß? Ein bisschen Fettliebe! Muss auch mal sein. Wenn ihr immer nur zu Hause mit der Nase am Fernseher klebt, erlebt ihr ja nix. So ein schöner Tag; jetzt werden wir mal an den gottverdammten Blumen schnuppern.»
Am Gefängnis schössen wir so schnell vorbei, dass ich kaum die bewaffneten Beamten auf ihren Wachttürmen erkennen konnte. Rummelplatz wie Eisstand verschwammen in der Ferne, während mein Vater auf die Uhr sah und nervös mit den Fingern auf das lederbezogene Lenkrad trommelte. Er wusste genau, wohin wir fuhren, und er hatte es zeitlich so gedeichselt, dass wir pünktlich zum ersten Abschlag da waren. «Na bitte, wer sagt’s denn», sagte er, als er von der Straße ab- und auf den überfüllten Parkplatz des Golfklubs einbog. «Ob wohl gerade irgendein Turnier stattfindet? Was meint ihr, sollen wir mal einen kurzen Blick riskieren? Ach, ist das hier herrlich. Wartet, bis ihr die tollen Fairways gesehen habt.»
Lisa und ich stöhnten und verfluchten unsere Blödheit. Wieder hatte man uns übertölpelt. Es gab nichts Schlimmeres als einen Nachmittag auf dem Golfplatz. Wir wussten, was uns erwartete, und dass die nächsten paar Stunden wie Tage oder vielleicht sogar Wochen vergehen würden. Unsere Armbanduhren würden gähnen, Minuten- und Sekundenzeiger immer wieder gemeinsam einnicken. Zuerst würde unser Vater uns von hinten in die erste Reihe einer farbenfroh gekleideten Menge schubsen. Ihrer erlesenen Aussichtspunkte beraubt, würden diese Zuschauer schmollen und grollen und Beleidigungen flüstern, die wir nicht gehört zu haben vorgaben.
«Sind doch nur Kinder», sagte dann mein Vater. «Was sollen sie denn sonst machen? Links und rechts auf meinen Schultern stehen, um Christi willen? Na los, Kumpel, geben Sie Ihrem Herzen einen Stoß.»
Heute spielten die ganz großen Jungs, Männer, deren Namen wir von den langweiligen Zeitschriften kannten, die mein Vater hinter der Kloschüssel und auf dem Rücksitz seines Ford Mustang stapelte. Wir hatten diese Spieler im Fernsehen gesehen und gehört, wie ihre Stärken und Schwächen von den braungebrannten Wahnsinnigen erörtert wurden, die im Prof-Shop unseres Country Clubs aus- und eingingen. Diese Menschen chippten und spielten über oder unter dem Par. Sie machten Birdie und Eagle und schlugen einen Doppel-Bogey mit großer Dringlichkeit, der es gleichwohl nicht gelang, unsere Phantasie zu beflügeln. Der leibhaftige Anblick dieser Profs war nicht interessanter als der Verzehr eines eiskalten Hamburgers, aber meinem Vater bedeutete er unsagbar viel, hoffte er doch, ihre Anwesenheit könnte in uns eine Leidenschaft entfachen, uns dazu entflammen, unsere Schläger zu ergreifen und nach Vollkommenheit zu streben. Dies war, für ihn, ein Akt der Liebe, ein irregeleiteter Versuch, unser Leben zu bereichern und uns ein Gefühl von Familienzusammenhalt zu geben.
«Was habt ihr
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