Nackt
Kinder bloß für ein verdammtes Glück.» Er legte uns je eine Hand auf je eine Schulter und schob uns Zoll um Zoll noch weiter nach vorn. «Das sind die besten Spieler der gesamten PGA und ihr habt Plätze in der ersten Reihe.»
«Was für Plätze?», fragte Lisa. «Wo?»
Wir standen auf dem Gras einer Böschung und beobachteten den ersten Spieler beim Abschlag.
«Lisa», flüsterte unser Vater, «geh und schnapp’s dir. Schnapp dir Sneads Tee.»
Wenn sich Lisa weigerte, war es an mir, das Green zu betreten und den nutzlosen kleinen Holzpflock zu suchen, der sonst wohin gedroschen worden sein konnte, zwei bis sechs Meter von seinem Ausgangspunkt entfernt. Unser Vater sammelte diese Tees als Glücksbringer und bewahrte sie in einem Goldfischglas auf seiner Kommode auf. Es war verboten, während eines Turniers das Green zu betreten, weshalb er uns benutzte, damit wir für ihn die Beinarbeit erledigten, wobei er hoffte, dass die Offiziellen uns für enthusiastische Emporkömmlinge hielten, die ihr Zimmer mit Plakaten schmückten, auf denen die Meister zu sehen waren, wie sie sich aus dem Bunker befreiten oder Pokale über den Kopf hielten, die ihnen für überwältigende Siege in Pebble Beach zuerkannt worden waren. Nichts hätte von der Wahrheit weiter entfernt sein können. Egal, wie sehr er uns zu motivieren versuchte –, die Mitglieder meiner Familie weigerten sich, auch nur das mindeste Interesse an etwas zu entwickeln, was sicherlich das ödeste Spiel war, das sich je jemand hatte einfallen lassen. Wir verabscheuten Golf und alles, was damit zu tun hatte, von den schottischen Baskenmützen bis hin zu den Schuhen mit den grausamen Spikes.
«Ach, Lou», pflegte meine Mutter zu jammern, wenn sie sich für eine Cocktailparty ihren Kaftan in gedeckten Erdtönen angezogen hatte. «So gehst du da aber nicht hin, oder?»
«Was soll denn daran verkehrt sein?», fragte er. «Die Hose ist nagelneu.»
«Für dich vielleicht», sagte sie. «Zuhälter und Zirkusclowns tragen so was schon seit Jahren.»
Wir haben nie kapiert, wie ein Mann, der so stolz auf seine nüchtern geschneiderten Anzüge war, seine Wochenenden in neonfarbenen Hosen verbringen konnte, die mit singenden Laubfröschen oder winzigen kiltchen-tragenden Schöttchen gemustert waren. Man brauchte eine Sonnenbrille, um seinen Kleiderschrank zu öffnen, so sehr bettelten all die bonbonfarbenen Pullover, aggressiven Sportsakkos aus Madras-Vorhangstoff und schmerzhaft knalligen Polohemden um Aufmerksamkeit. Straßenarbeiter trugen solche Schockfarben, damit sie auf größere Entfernung von Autofahrern gesehen wurden. Bei denen hatte das einen Sinn, aber welchen Gefahren waren diese Golfer ausgesetzt? Keinerlei heißgemachte Firebirds oder Neunachser brausten über den Fairway und drohten, ihre gemütlichen kleinen Vierergrüppchen plattzumachen. Man hatte uns in allerfrühester Jugend beigebracht, nie auf dem Golfplatz zu schreien oder auch nur in normalem Tonfall zu sprechen. Indem ihnen der volle Gebrauch ihrer Stimmbänder versagt war, überließen diese Menschen das Schreien ihren befremdlichen Klamotten, und das Ergebnis war oft betäubend.
«Ich fühl mich irgendwie nicht gut», flüsterte Lisa meinem Vater zu, als wir vom Bunker zum Einlochen in Richtung auf das achte Loch marschierten. «Ich glaube wirklich, wir müssen nach Hause.»
Mein Vater ignorierte sie. «Wenn Trevino an diesem Loch bogeyt, ist er verratzt. Bei seinem letzten Bunkerschlag hat er sich mit dem Arsch an die Wand genagelt. Habt ihr die Rückenhaltung gesehen?»
«Im Augenblick macht mir mein Rücken mehr Sorgen», sagte Lisa. «Er tut weh und ich will nach Hause und mich hinlegen.»
«Wir bleiben doch nur noch eine Minute.» Mein Vater befummelte die Sammlung von Tees in seiner Jackentasche. «Das Problem mit euch beiden ist, dass ihr euch nicht richtig auf das Spiel konzentriert. Morgen früh melde ich euch gleich als erstes für ein paar zusätzliche Golfstunden an, und dann: werdet ihr schon merken, was ich meine. Lieber Herr Jesus, das ist ein so aufregender Sport; ihr werdet es gar nicht aushalten können.»
Wir hegten ernsthafte Zweifel, was das Aufregende betraf, aber mit seiner Vorhersage, wir würden es nicht aushalten können, sollte er recht behalten. Geizig, wenn es darum ging, sich von einem Dollar zu trennen, hatte er uns für den ersten Golfunterricht angemeldet, als wir noch kaum ein Klapperchen halten konnten. Nein, für ein nacktes Kindermädchen war kein
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