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Nackt

Nackt

Titel: Nackt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Sedaris
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Schilderung meines Besuchs in Curlys Anhänger. «Also nahm er mich mit ins Schlafzimmer und da stellte sich heraus …»
    «… dass der Typ ein Homo war, stimmt’s?» Jon kräuselte vor Ekel die Lippen. «Das ist mir mal beim Barras passiert. Es gibt eine Menge kranke Menschen auf der Welt. Der Typ hat mich gefragt, ob er mich halten kann, genau das hat er gesagt. ‹Kann ich dich halten?› Damals hatte ich noch Beine, und ich habe sie benutzt, um ihm in den Arsch zu treten. Aber du bist doch auch so einer, oder?»
    Ich nickte.
    «Das hab ich gewusst, als ich zum ersten Mal gesehen hab, wie du schmirgelst. Da hab ich gesagt: ‹Der Typ ist krank.› Und stimmt doch, oder? Du bist krank.»
    Er sagte es besorgt, wie man mit einem Freund spricht, der Schläuche in der Nase hat. «Du bist krank.» Ich versuchte, meine Flennkiste wiederzubeleben, aber sie klang unecht. «Buu-huu-huu. Auu-ha-ha-hu-hu-hu-hu.» Es war ohne Schleim, und ich musste mir mit den Fingern in die Augen stechen, um Tränen hervorzubringen. «A-he-he-huhu-hu.»
    «Flenn mich nicht voll. Sag es Jesus», sagte Jon. «Streck die Hand nach Ihm aus. Sag ihm, dass es dir leid tut. Hock dich hier auf den Boden und bete, um Himmels willen.»
    «Ach, Gott, hu-hu-hu, es tut mir so leid, dass ich diesen Typ kennengelernt habe. Er war so blöd.»
    «Und sag Ihm, dass du das nie wieder machst», rief Jon.
    «Und ich mache das nie wieder», sagte ich. «Nie wieder mit Curly, nie wieder.»
    «Mit gar keinem Mann. Sag Ihm, dass du dich nie wieder mit einem anderen Mann hinlegst. Sag Ihm, du willst heiraten.»
    «Ach, bitte», sagte ich. «Bitte, lass mich heiraten.»
    «Eine Frau», sagte Jon. «Eine Frau und nicht einen Mann.»
    «Eijejau», heulte ich, «eijejau-u-ii einen Mann», und hoffte, dass ich, falls das Protokoll je vor den Himmlischen Gerichtshof gebracht wurde, nicht dran war, weil ich Versprechungen gemacht und dann nicht gehalten hatte. «Eijeiau-u-ii einen Mann.» Irgendwo unterwegs hatte ich vergessen, dass genau das dazugehörte. Konnte ich nicht Beurteiler sein und mit Typen schlafen?
    «Und sag Ihm, es tut dir leid, dass du so lange Mittagspausen machst und so ungeschickt bist.»
    «U-hu-hu-hu, es tut mir leid, dass ich so viel fallen gelassen habe. Es tut mir wirklich, wirklich leid.»
    «Na gut, na schön», sagte Jon. «Du kannst dich jetzt wieder hinsetzen. War doch gar nicht so schlimm, oder? Ich wusste doch, dass es mit dir noch klappt; du hattest schließlich den besten Lehrer, den es gibt. Hiermit verleihe ich dir den offiziellen Titel, C. O. G. Na, wie fühlt sich das an? Ganz schön gut, was? Und wem hast du das zu verdanken?»
    «Curly?»
    «Nein, mir, du Idiot.»
    Jon erwähnte ein paar weitere Zugeständnisse, die ich machen musste, und dann erreichten wir die Stadt Portland, wo die Frauen in engen Jeans und strammsitzenden Jacken flanierten. «Dreh dein Fenster runter und frag die Blonde, ob hier gerade Miss-AmerikaWahlen stattfnden.»
    Ich fragte, sie trat ihre Zigarette aus und sagte: «Da muss ich mich total geschlagen geben, Alter.»
    « Total. Geschlagen. Das kann sie gern von mir haben, meinetwegen auch total. Schlampe. Hey, kuck mal die da mit der Kaninchenjacke. O Gott, süßer Jesus, sieh dir diesen Arsch an. Man weiß, dass es einen Gott gibt, wenn man einen solchen Hintern sieht. Würdest du nicht gern den Rest deines Lebens damit verbringen, diesen feinen, fetten Arsch durchzubleuen? Möchte man nicht einfach sein Gesicht in so was vergraben, bis es dunkel ist?»
    Ich versuchte, Frauen als Christ zu betrachten, was seltsam war, da ich dachte, ich hätte das schon immer getan. Ich fand es angenehm, dass es sie gab, aber es war mir unmöglich, ihre Brüste oder Gesäße zu beurteilen, die ich nicht anders ansah als ihre Ohren oder Fußknöchel. Sie waren Gestalten, manche kleiner oder größer, aber keine von ihnen erotisch stärker befrachtet als die Bäume und Briefkästen, die an der Straße standen.
    «Bleib dran, Mutti; Vati kommt», sagte Jon. «Dreh dein Fenster runter und frag, ob sie die Jeans mit dem Pinsel oder mit der Rolle aufgetragen hat.»
    Er musste wirklich an Wunder glauben, wenn er annahm, ich würde eine wildfremde Frau fragen, ob sie hinten einen Lieferanteneingang hat.
    Wir fuhren auf den Marktplatz, und ich entlud den Kombi, während Jon sich auf seine Stöcke stützte, die schmucken Töpferinnen anstaunte und den Makramee-Stickerinnen nachpfiff, die dünne, kunstvoll gefochtene Zöpfe

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