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Nacktbadestrand

Nacktbadestrand

Titel: Nacktbadestrand Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elfriede Vavrik
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inzwischen voneinander machten. Umso intensiver wurden unsere Telefonate in den nächsten Tagen. Wir verhielten uns wie ein junges verliebtes Paar. Das letzte Telefonat des Tages begannen wir jeden Abend um genau halb elf, ohne dass wir das extra verabredet hätten. Er erzählte mir von seinen Träumen, die sich um mich rankten, auch von seinenerotischen, er beschrieb seine Vorstellungen von mir und machte mir unaufhörlich Komplimente. Für Schmeicheleien war ich sonst nicht besonders empfänglich, aber in seiner Tonart machten sie mich weich und träumerisch.
    Er wollte wissen, wie ich ihn mir vorstellte. Also bat ich ihn, mir der Einfachheit halber ein Foto zu schicken. Es kam zwei Tage später in einem großen Kuvert.
    Darin steckte ein Billet, in dem sich beim Öffnen ein Blumenstrauß entfaltete. Dabei lagen ein Brief und das Bild. Ganz fehlerfrei war der Brief nicht, aber das verzieh ich ihm, obwohl ich sonst Wert auf gute Rechtschreibung lege. Er war ja früher von Beruf Fleischhauer gewesen, ein recht erfolgreicher, wie es schien, weshalb es bei ihm vermutlich nicht so sehr auf ein fehlerfreies Schriftdeutsch angekommen war. Vielleicht war er auch etwas aus der Übung. Man schrieb ja nicht alle Tage Briefe. Und ich mochte trotzdem, wie er schrieb. Seine Worte waren zwar etwas ungelenk, aber sie waren auch voller Liebe.
    Das Foto zeigte einen ansehnlichen Mann, der ganz anders aussah, als ich mir einen ehemaligen Fleischhauer vorstellte. Er war groß und schlank, hatte genau wie ich schlohweißes Haar und feine aristokratische Züge. Peter schrieb in seinem Brief, dass das Bild schon etwas älter sei, dass er aber noch immer ganz genauso aussehen würde. Und er sah auf dem Foto zwar nicht unbedingt jünger als siebzig aus, aber wie ein Siebzigjähriger, der noch agil und fit ist.
    Wenn es in unseren Gesprächen um Sex ging, kam allerdings ein bestimmter Körperteil von ihm nie vor. Er erzählte mir nur vorsichtig, wie verrückt ihn die Vorstellung mache, mir dabei zuzusehen, wie ich mich selbst berühre, mich streichle und befriedige.
    Das gab mir zu denken. Männer sind in dem Punkt ja ziemlich direkt, wie ich inzwischen ohne jeden Zweifel festgestellt hatte.Ich vermutete, dass der betreffende Körperteil wichtige Grundfunktionen nicht mehr zu erfüllen in der Lage war. Wenn das stimmt, dachte ich, ist das zwar bedauerlich, aber womöglich wirklich kein Hindernis für eine auch körperlich erfüllende Liebe.
    Es war jedenfalls kein Hindernis, von ihm zu träumen. Ich war bereit, das Wagnis einzugehen.
    Dann kam der Tag, an dem wir uns zum ersten Mal treffen sollten. Ich war aufgeregt wie ein junges Mädchen bei seinem ersten Rendezvous. Ich lud ihn zu mir nach Hause ein. Ich hatte mich schön gemacht und viel Zeit investiert, schon um die Vorfreude besser auskosten zu können.
    Ich war noch gar nicht fertig mit meinen Vorbereitungen, da läutete es an der Tür. Ich sah auf die Uhr. Er war überpünktlich. Ich eilte ins Vorzimmer, hielt noch einmal inne – ein letzter Blick in den Spiegel, ein Lächeln – dann öffnete ich. Ein merkwürdiger Herr stand draußen vor der Tür. Ich dachte an einen Vertreter, denn er hatte eine große Tasche dabei, wie jemand, der etwas reparieren oder etwas verkaufen will. Seine Nase glich einer roten Knolle mit vielen blauen Äderchen.
    Ich wollte den Mann schnell wieder loswerden, damit er nicht noch hier wäre, wenn Peter endlich käme. Ich versuchte es möglichst freundlich.
    Â»Ja bitte?«, sagte ich.
    Der Mann schaute zu Boden. »Ich bin Peter«, sagte er leise.
    Ich starrte den Mann an und verstand zuerst gar nicht, was er da sagte. Gedankenfetzen zogen durch meinen Kopf. Mir wurde schwindlig. Ich lehnte mich kurz an den Türrahmen. Mein erstes Gefühl war gar nicht Enttäuschung. Es war eher ein Erschrecken, und ich glaube nicht, dass ich es besonders gut verbergen konnte. Mir stockte regelrecht der Atem. Dieser Mann, dachte ich verzweifelt, ist ja ein Greis!
    Dann atmete ich tief durch. Schluckte. Schluckte die Erstarrung hinunter und versuchte ein freundliches Gesicht zu machen.
    Wir könnten uns jetzt einfach verabschieden, dachte ich. Einfach verabschieden und so tun, als wäre nichts gewesen und am Telefon weiter voneinander träumen. Aber so war das Leben nun einmal nicht. Ich wollte diesem alten Herren, der mir so viele schöne Stunden

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