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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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sind.«
    Zum ersten Mal an diesem Tag entspannte sich Adams' Gesicht zu einem Lächeln uneingeschränkter Anerkennung. Er klopfte ihr auf die Schulter und sagte wohlwollend: »Prima. Wir bleiben nicht lange weg. Vielleicht können wir Ihnen erfreuliche Nachrichten mitbringen.« Damit drehte er sich um und ging, gefolgt von Billy-Jo, stromabwärts zu der Stelle, wo der Fluß sich verengte und über ein paar Klippen floß; dort konnten sie ihn ohne Angst vor Krokodilen überqueren.
    Mary Dillon sah ihnen nach, bis sie zwischen den Sträuchern am anderen Ufer hochkletterten und verschwanden, dann ging sie zurück, allein, voller Todesangst und doch irgendwie stolz; sie band die Pferde los und brachte sie zum Tränken an den Fluß hinunter.
    Während die müden Tiere ihre Köpfe ins Wasser hängen ließen, nahm sie ihnen die Sättel ab, ungeschickt zwar, doch mit einer leisen Befriedigung über diese harmlose Beschäftigung. Früher hatte sie sich immer davor gedrückt, als wäre eine solche Arbeit ein Zugeständnis an das verhaßte Land. Jetzt tat sie es sogar gern, obwohl der Auftrag dazu von einem Mann kam, der sie eher zum Spott herausforderte als zur Liebe. Diese Handlung bestätigte ihr von neuem ihre getrübte Beziehung zu Lance und ihr unsicheres Verhalten gegenüber Neil Adams. Sie war böse auf ihn, und doch bemühte sie sich, ihm zu gefallen. Sie wollte ihn verletzen, doch sobald sie merkte, daß ihr Unmut ihm nichts ausmachte, setzte sie alles daran, seine Anerkennung zu erringen.
    Nicht ein einziges Mal während ihrer drei Ehejahre war sie so auf ihren Mann eingegangen, der jetzt vielleicht tot war und mit blinden Augen in den pfirsichblütenfarbenen Himmel starrte. In dieser letzten Stunde des Tages, als Erschöpfung und Verdruß ihren Sinnen eine ungeahnte Hellsichtigkeit verliehen, erkannte sie, wie falsch sie sich Lance gegenüber verhalten hatte und wie auch er ihr gegenüber versagt hatte. Er hatte sie geliebt, doch Liebe allein genügte nicht. Er hatte sie gleichsam auf ein Podest gestellt, hatte zuviel Rücksicht auf sie genommen, hatte sie gleichsam in Watte gepackt. Ihm fehlte die rauhbeinige Art eines Neil Adams, das Selbstbewußtsein, die kalte Sicherheit seines Auftretens. Sogar jetzt, trotz aller Angst um ihren Mann, konnte sie die Vor- und Nachteile seines Todes abwägen, als hätte er mit ihrem Leben überhaupt nichts zu tun.
    Merkwürdig, hier in der Einsamkeit des engen Flußtales konnte sie sich diesem Gedanken ohne Gewissensbisse hingeben – wenn auch nicht ohne Bedauern.
    Als die Pferde genug getrunken hatten, machte Mary sie am Stamm einer Palme nahe der Böschung fest, dann ging sie langsam am Ufer entlang und begann, Treibholz und Äste fürs Feuer zu sammeln. Mit jedem Armvoll Holz entfernte sie sich ein Stück weiter von den Pferden und dem Gewehr, und der Rückweg in dem verblassenden Licht dauerte jedesmal ein bißchen länger. Anfangs war sie nervös; ihre Augen wanderten unruhig zwischen den Schatten im Gebüsch hin und her, und alle möglichen Schreckgespenster stiegen vor ihren Augen auf. Doch langsam legte sich die innere Spannung, bis sie sich schließlich einreden konnte: Ich hab' keine Angst. Hier gibt's Wasser, Sand und Felsen, und die Bäume rauschen im Wind; ich laufe dazwischen herum wie in meinem eigenen Garten. Die Schrecken sind ganz woanders – bei Lance, bei Billy-Jo, bei Adams, aber nicht bei mir.
    Sie hatte das Treibholz auf dem Sand aufgestapelt und fühlte sich verschwitzt, schmutzig und unbehaglich. Sie schaute sich suchend nach einer Stelle um, wo sie sich waschen könnte, und zwanzig Meter stromaufwärts fand sie einen kleinen Tümpel zwischen den Felsen. Er war tief, von zackigen Sandsteinen eingefaßt und schimmerte kristallklar über sandigem Grund. Bunte Fische schwammen darin im sinkenden Sonnenlicht. Sie prüfte die Temperatur mit der Hand – das Wasser war noch warm von der Hitze des Tages. Kurz entschlossen zog sie sich aus, legte ihre Kleider ordentlich auf eine Felsenplatte und stieg so weit ins Wasser, bis es ihre Brüste bedeckte und um ihre Kehle plätscherte.
    Es wirkte wie Balsam auf ihrer ausgedörrten Haut. Es spülte Schwäche, Wundheit und den roten Staub von ihr ab. Sie schien ein neues Geschöpf zu sein, das gelassen, zufrieden und unverwundbar in einem unbekannten Element dahintrieb. Die Schatten der Bäume wurden länger und legten sich gewichtslos auf ihren Körper, der Pfirsichblütenhimmel verdunkelte sich langsam zu

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