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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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den Sand und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    Dann hörte sie unten vom Fluß her das platschende Geräusch von im Wasser watenden Menschen und den vertrauten Klang von Adams' Stimme. Beschämt und erleichtert sammelte sie die Teller auf, und kurz darauf bot sie das friedliche Bild einer braven Frau, die das Abendessen vorbereitet. Doch als Adams und Billy-Jo in den Schein ihres Feuers traten, traf Mary ein neuer Schock. Über den Schultern Billy-Jos hing der schlaffe Körper eines eingeborenen Mädchens. Adams, mit finsterer Miene und verkniffenem Mund, sagte kurz: »Wir haben sie drüben nahe dem Sumpf gefunden. Ihr Zustand ist jämmerlich. Leg sie hin, Billy-Jo.«
    Der Spurenleser bettete den dunklen kindlichen Körper in den Sand, und Mary stockte der Atem, als sie das ganze Ausmaß der Verletzungen erkannte. Das Gesicht war zu einem blutigen Klumpen geschlagen. Die Brüste waren wie von Tierklauen zerkratzt, die schmalen Hüften blutüberströmt. Das Mädchen lebte, doch sein Atem ging flach und ungleichmäßig. Mary sah Adams erschrocken an.
    »Wer ist das? Was ist mit ihr passiert?«
    »Geschlagen und vergewaltigt. Sie ist verheiratet, das sieht man am Lendenschurz. Sie hatte abseits von den anderen Frauen Nahrung gesammelt. Wer auch immer ihr das angetan hat, er muß sie überrascht haben. Sie hat sich gewehrt, und dabei wurde sie so zugerichtet. Mehr wissen wir nicht.«
    »Sie ist ja noch ein Kind.«
    »In dieser Gegend heiraten sie früh.«
    »Das ist furchtbar … furchtbar.« Mary drehte sich weg, denn Übelkeit stieg in ihr hoch. Adams beugte sich über den kleinen geschändeten Körper und untersuchte ihn mit peinlicher Sorgfalt. Ohne sich umzudrehen, rief er scharf: »Mary! Bringen Sie mir eine Wasserflasche und den Whisky.«
    Sie gehorchte. Er hob den Kopf des Mädchens und zwängte ihm ein paar Tropfen unverdünnten Schnaps in den gebrochenen Mund, dann legte er die Kleine in den Sand zurück und stand kopfschüttelnd auf.
    »Sie stirbt heute nacht. Ich würde vorher gern noch ein paar Worte von ihr wissen. Versuchen Sie, ob Sie sie nicht ein wenig säubern können, danach decken Sie sie zu und behandeln ihr Gesicht.«
    Nach kurzem Zögern nahm Mary wortlos Decken und ein Handtuch aus den Satteltaschen. Adams legte sanft eine Hand auf ihre Schulter und sagte müde: »Tut mir leid, Mary, daß ich Ihnen nichts über Ihren Mann sagen kann. Wir brauchen wohl noch einen halben Tag, um in dem Gras da drüben auf seine Spuren zu stoßen.«
    In einer Geste der Ratlosigkeit fuhr er sich mit der Hand durch sein dichtes Haar.
    »Auf irgendeine Weise ist das Mädchen in diese Angelegenheit verwickelt, aber ich sehe den Zusammenhang noch nicht. Möglicherweise hat sie der gleiche Mann vergewaltigt, der hinter Lance her ist.«
    »Wieso ein Mann? Ich denke, es geht um mehrere?«
    Adams nickte.
    »Am Anfang ja. Gestern haben eine Menge den Fluß abgesucht. Sie haben auch nachts dort gelagert. Aber als wir uns auf der anderen Seite den Boden vornahmen, haben wir nur die Spuren von einem einzelnen Mann gefunden. Billy-Jo scheint anzunehmen, daß die anderen zum Lager zurückgekehrt sind und es dem einen überlassen haben, Ihren Mann zu verfolgen. Allerdings sind das alles bloß Vermutungen. Wenn wir das Mädchen durchbringen könnten …« Er lächelte und klopfte ihr aufmunternd auf die Schulter. »Ich weiß, das ist keine angenehme Aufgabe, aber tun Sie, was Sie können.«
    Wieder stieg dieser verschämte Stolz in ihr auf, weil Adams ihr soviel zutraute, und sie war froh, daß er sie nicht gesehen hatte, als Angst und Verzagtheit über sie kamen. Sie sagte einfach: »In zehn Minuten mach' ich das Abendessen.«
    »Danke. Ich glaube, wir alle können's brauchen.« Er streckte sich auf dem Sand aus, lehnte seinen Kopf gegen einen Sattel, zündete sich eine Zigarette an und blickte starr zu dem samtenen Himmel hinauf, an dem die Sterne so tief wie Lampions hingen.
    Auch er besaß seinen Stolz, und dazu gehörte es, daß er in Gegenwart dieser Frau, der Frau eines anderen Mannes, nichts von seiner Stärke, Erfahrung und Klugheit aufgab. Seiner Meinung nach war Dillon tot, aber bevor er das nicht beweisen konnte, durfte es nicht ausgesprochen werden; denn dadurch könnte eine Situation entstehen, der er sich jetzt nicht gewachsen fühlte.
    Die Schändung der Kindfrau war ihm ein Rätsel. Das paßte nicht zu dem, was er über die Sitten der Eingeborenen wußte. Untreue spielte in den Stammesgesetzen keine große

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