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Nacktes Land

Titel: Nacktes Land Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: West Morris L.
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kein Baby bis jetzt.«
    Sie wurde rot und warf ihm einen schnellen Blick zu, doch er hielt den Kopf gesenkt, und sein dunkles Gesicht war von der Hutkrempe überschattet. Dieser Gedanke war ihr nicht neu; aber von einem Fremden so deutlich geäußert, traf er sie doch wie ein Schock. Sie wandte sich ab und starrte angestrengt zu der roten Fläche hinüber, wo Adams die holperige Piste abschritt und die Viehhirten anleitete, sie mit ihren bloßen Händen und mit Hilfe von Zweigen aus dem Unterholz zu planieren.
    Sie fühlte sich zu Adams hingezogen. Sich das einzugestehen fiel ihr nicht schwer; doch was ihr an ihm so gefiel, war nicht leicht zu definieren. War es vielleicht seine Ungezwungenheit? Das Selbstverständnis, mit dem er sich die Welt zu eigen machte – als wäre diese für ihn geschaffen und nicht er für sie? Er war ausgeglichen, ausdauernd und zufrieden; Lance dagegen schien trotz seiner Kraft und Arbeitswut in einem ständigen Konflikt zu leben. Neil Adams stellte keine Anforderungen an das Dasein, und doch schien sich alles Geschehen um ihn herum wie von selbst zu ordnen. Lance strebte ständig ruhelos vorwärts und konnte doch nicht über das eigene innere Chaos Herr werden.
    Lag hier etwa der Kern ihres Problems? War sie deshalb mit ihrem Mann unzufrieden und sehnte sich nach einem anderen? Hatte die eigene Unzufriedenheit ihr das Land so trübselig erscheinen lassen? Wäre es dem Garten Eden ähnlicher, wenn sie es zusammen mit Neil Adams durchstreifte?
    Als sie ihn mit Jimmy im Galopp zurückkommen sah, verwarf sie augenblicklich diesen Gedanken, damit ihr Gesicht ihm nichts verraten konnte. Wenn Lance tot wäre, hätte sie das Recht zu solchen Gefühlen, aber solange … Sie hatte eine Vision, sah, wie er in der Sonne lag und das Leben aus ihm herausblutete, und wieder schämte sie sich über sich selbst.
    Die Schatten wurden länger, als sie ins Unterholz kamen; die Viehtreiber ritten voran, hinter ihnen Billy-Jo, der eifrig nach weiteren Spuren Ausschau hielt. Sie kamen aus den Niaulibäumen zu der Stelle, wo Dillon ins Gras gestürzt war, und stiegen ab. Die Treiber hielten die Pferde, während Billy-Jo und Adams den Boden untersuchten, wobei Mary, einen Schritt hinter ihnen, sie gespannt beobachtete.
    Diesmal war Adams höflicher zu ihr. In knappen Worten übersetzte er, was Billy-Jo aus den Spuren herausgelesen hatte.
    »Hier wurde er abgeworfen. Sie erkennen das an den geknickten Grashalmen und der eingedrückten Erde. Er hat eine Weile blutend dagelegen … dann ist er offensichtlich aufgestanden und weggegangen, er hat einen Stock dabei benutzt … Nachdem hier keine Bäume stehen, sieht es fast so aus, als ob er einen Speer als Stock benutzt hätte. Er ging von hier aus in Richtung Fluß … Das ist verständlich, weil er durch den Blut- und Schweißverlust bestimmt durstig war. Das ist ein gutes Zeichen, denn es beweist uns, daß er klar denken und sehen kann …«
    Er hielt inne, denn Billy-Jo wies ihn auf neue Spuren hin: ein Büschel Fellhaare, ein blasser Fleck auf einem Grashalm, ein Abdruck im sumpfigen Boden. Sie bemerkte, wie sich Adams' Blick verfinsterte, und hörte ihn mit Billy-Jo flüstern. Sie fragte scharf: »Irgend etwas Neues, Neil? Was gibt's?«
    Er sah ihr offen ins Gesicht. Seine Augen blickten hart, doch er behielt seine Stimme unter Kontrolle.
    »Die Myalls sind diesen Weg ebenfalls entlanggekommen, Mary. Das muß nach ihm gewesen sein, weil nichts auf einen Kampf hindeutet. Aber sie waren ihm dicht auf den Fersen.«
    »Wann war das?«
    »Vermutlich gestern um diese Zeit.«
    »Das ist ja schon vierundzwanzig Stunden her.«
    »So ungefähr.«
    »Das können Sie alles erkennen, indem Sie bloß so auf den Boden schauen?«
    »Ich nicht, sondern Billy-Jo. Ich mit meinem bißchen Wissen kann es höchstens bestätigen.«
    »Das bedeutet, daß Lance tot ist, nicht wahr?«
    Adams kam beim besten Willen nicht dahinter, ob Hoffnung oder Angst ihr die Frage eingegeben hatte. Er schüttelte nur den Kopf.
    »Nicht unbedingt. Es heißt bloß, daß die Wette auf sein Überleben wieder ein bißchen schlechter steht.«
    Er wandte sich an den Viehhirten.
    »Jimmy, du gehst jetzt zu den anderen zurück. Sie sollen bis Einbruch der Dunkelheit arbeiten, dann baut euch ein Lager und macht bei Sonnenaufgang mit der Piste weiter. Wir stoßen dann zu euch, und ich gebe euch weitere Anweisungen, bevor Gilligan kommt. Ist das klar?«
    »Alles klar, Boss.« Jimmy tippte mit den Fingern an

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