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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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aufgerissene philippinische Augen blinzelten ihm verschwörerisch zu. »Du gefunden Mörderin von Rudi. Du wunderbar! Wenn du einmal zu mir kommen, du kriegen Rabatt. Ehrewort!«
    Die junge Philippinerin in dem hautengen roten Minikleid trug nicht nur eine Blume im Haar, sie war auch eine Blume. Eine Blume der Nacht, um genau zu sein. Rudi war ihr Lieblingsfreier gewesen, und Seifferheld hatte die Frau überführt, die nicht nur Rudi, sondern noch eine Handvoll weiterer Haller Männer im besten Alter – also potenzielle Kunden der grazilen Philippinerin – ermordet hatte. So eine Tat durfte nicht unbelohnt bleiben! Das exotische Wesen drückte ihm noch einen Kuss auf den Mund. »Du kommen bald, ja?«
    Sie lag zwar mit der Staatsmacht im Clinch und ärgerte sich sehr, dass Hotels für Übernachtungseinnahmen jetzt weniger Mehrwertsteuer zahlen mussten als sie – da sie doch auch Übernachtungsgäste hatte, und wo war da bitte der Unterschied? –, und nicht zum ersten Mal nahm sie sich vor, nicht weiter als einzige Nutte der Stadt Mehrwertsteuer abzuführen, aber wenn es einen Vertreter der Exekutive gab, dem sie sich zu gern in Naturalien erkenntlich zeigen wollte, dann ihn hier, diesen nicht mehr ganz jungen, aber markant aussehenden und selbstlos agierenden Ex-Kommissar Seifferheld. »Ich mich freuen auf dich!«
    Kichernd zog sie ab. Seifferheld sah ihr nach, wie sie mit gekonntem Hüftschwung zwischen Fischgeschäft und Schmuckladen in die Sporersgasse bog.
    Als er sich wieder umdrehte, stand sie vor ihm: die Göttin der Rache. Nicht in der altgriechischen, sondern in der modernen österreichischen Variante. Mit finster funkelnden Augen und fest zusammengepressten Lippen.
    MaC!
    »Ich kann dir das erklären«, stammelte Seifferheld und merkte noch beim Reden, dass reden hier nicht half. Er musste MaC in seine Arme reißen und ihr mit einem Kuss beweisen, dass seine ganze Hingabe nur ihr galt, ihr allein. Er streckte die Arme aus.
    Es hätte nicht viel gefehlt und sie hätte ihm die Gehhilfe weggekickt. »Bäh, du hast den Lippenstift einer Fremdfrau auf den Lippen. Desinfiziere dich erst mal!« MaC hielt ihn auf Armeslänge von sich entfernt.
    »Ich kenne diese Frau rein beruflich«, verteidigte sich Seifferheld.
    »Schon klar«, zischelte MaC. »Rein beruflich. Deswegen hat sie dich auch nur rein kollegial mit Zunge geküsst.«
    Die Zungen waren nun wirklich nicht zum Einsatz gekommen, aber einen sinnstiftenden Dialog würde es jetzt und hier nicht geben können. Seifferheld suchte und fand eine Ablenkungsfrage. »Hast du mein Croissant?«
    »Croissants waren alle.« MaC verschränkte die Arme vor der Brust.
    Hinter ihr, in der Auslage der Bäckerei, türmten sich die Croissants. Seifferheld sagte nichts.
    MaC blies sich eine dunkle Locke aus dem Gesicht. »Ich spüre, wie meine Migräne kommt. Außerdem muss ich in die Redaktion. Unser Neuer, der Kalle, hat zum ersten Mal Wochenenddienst. Wir buchen die Busreise ein anderes Mal. Einen schönen Tag noch.« Sie stapfte in Richtung Milchmarkt davon. Extrem schnell, weil sie wusste, dass er ihr mit seiner Gehhilfe so schnell nicht würde folgen können.
    Seifferheld sah ihr nach und verstand die Welt nicht mehr.
    Da klopfte ihm eine feiste Männerhand markig auf die Schulter. »Siggi, alter Kumpel. Lust auf einen Espresso? Geht auf mich!«
    Kläuschen lud ihn zu einem Päuschen ein.
    Seifferheld seufzte.

14 : 00  Uhr
    Man kann nie zu reich, zu dünn oder zu gut verheiratet sein.
     
    Sissi von Bellingen räkelte ihren makellosen Körper auf einer der Liegen am Pool des Shiseido Day Spa, hoch über den Dächern von Stuttgart.
    Um ein paar Runden zu schwimmen, für Pediküre und Maniküre und Thalasso-Gesichtspackung hätte sie nicht extra in die Landeshauptstadt fahren müssen. Das gab es in Schwäbisch Hall alles auch. Aber sie gehörte zur Crème de la Crème der Stadt, zu den oberen Zehntausend (auch wenn es genauer gesagt nur die oberen Fünfzig, allenfalls Hundert waren), und da legte man sich nicht im heimischen Solbad auf die Liege neben die Fachverkäuferin von der Wursttheke der Bäuerlichen Erzeugergenossenschaft, wenn die ihren freien Tag hatte. Man wollte auch tunlichst vermeiden, dass die Fußpflegerin in einem schwachen Moment, womöglich unter Einfluss von Räucherstäbchengasen, Gott und der Welt und den Pedikürebedürftigen der Stadt von den eingewachsenen Zehennägeln und dem hartnäckigen Hornhautproblem an der Bellingschen Ferse

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