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Nadel, Faden, Hackebeil

Nadel, Faden, Hackebeil

Titel: Nadel, Faden, Hackebeil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tatjana Kruse
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erzählte. Nein, man fuhr in die nächste Großstadt und genoss die Anonymität.
    »Hier ist Rauchen verboten«, warnte Fippa von Sölln auf der Liege neben ihr mit Piepsstimme.
    Sissi warf ihr einen müden Blick zu. »Ja und?«
    Das Leben meinte es nicht gut mit Sissi. Und das wollte sie dem Leben heimzahlen. Oder doch wenigstens den Betreibern des Shiseido Day Spa.
    »Ich bin deprimiert«, erklärte sie ihrer besten Freundin. Fippa hieß eigentlich Philippa und war eine echte Adlige. Wohingegen sie, Sissi, als Elisabeth Klemmnagel auf die Welt gekommen war und nur durch Verehelichung mit Lambert von Bellingen zum »von« gekommen war. Allerdings kein echtes »von«, sondern ein von Lamberts Ururgroßvater vom Kaiser erkauftes. Na ja, danach fragte heutzutage keiner mehr.
    »Wieso deprimiert?«, fragte Fippa und fächelte mit der flachen Hand die Zigarettenrauchschwaden an sich vorbei.
    »Mein Mann ist ein Depp!«, erklärte Sissi.
    Das war ja nun nichts Neues und auch nichts wirklich Weltbewegendes. Das sprach Fippa aber natürlich nicht aus. Sie mimte Überraschung. »Echt? Nein!«
    »Doch! Seit Jahren verspricht er mir, dass wir demnächst nach Berlin ziehen. Aber ich sitze immer noch in der Provinz fest.« Sissi paffte Rauchzeichen.
    Die hauseigene Kosmetikerin kam angelaufen und wedelte mit den Händen Sissis Rauchzeichen auseinander. »Gnädige Frau, bitte verzeihen Sie, aber zum Rauchen müssen Sie auf den Balkon hinaus.«
    »Keine Lust«, grummelte Sissi.
    Sie und die Kosmetikerin starrten sich an.
    Die Blicke zogen sich in die Länge.
    Kein Trinkgeld, besagte der Blick von Sissi.
    Ich lass meinen Chihuahua in dein Fußbad pinkeln, frohlockten die Augen der Kosmetikerin.
    »Sonst noch etwas?«, klirrte Sissi mit eisiger Stimme. »Nein? Dann dürfen Sie gehen. Ich komme zur Pediküre, sobald ich so weit bin.«
    »Wie Sie wünschen, gnädige Frau.« Die Kosmetikerin zog ab. Unterm Strich würde sie gewinnen. Sie und Chichi.
    Und während sich draußen ein Miniaturhund – bis zum Bauch in lauwarmem Schaumwasser stehend – erleichterte, jammerte sich Sissi von Bellingen ihren Kummer von der Seele.
    »Wieso habe ich Lambert nur geheiratet? Ich bin Luft für ihn. Er lebt ausschließlich für seine Politikerkarriere. Die kommt aber nicht in die Gänge. Weil er nämlich nicht mit Menschen kann. Für den wird das Wort Loyalität doch zum Fremdwort, sobald er sich vom Spiegel wegdreht. Den Sprung nach Berlin kann er sich abschminken. Der dilettiert bis zu seinem Ende hier im Landtag herum. Ich krieg’ das Kotzen.«
    Letzteres glaubte Fippa ihr sofort. Es hatte einen Grund, warum Sissi Kleidergröße 34 trug. Und die Schwielen an Sissis rechtem Zeige- und Mittelfinger sprachen Bände.
    Aber dass Sissi trotz ihrer Magerkeit Körbchengröße D besaß und sie sowohl am Ringfinger als auch im Bauchnabel und in den Ohrläppchen die Mehrkaräter eines angesagten Pforzheimer Luxusjuweliers trug, hatte sie allein Lambert zu verdanken, weswegen diese Tirade ganz sicher nicht mit den Worten »Ich verlasse ihn!« enden würde.
    So wie Lambert Sissi nie verlassen würde – in seiner Partei war Scheidung immer noch eine böse Sache und nur im alleräußersten Notfall gerechtfertigt, will heißen, wenn die Geliebte schwanger wurde.
    »Vielleicht schafft er es ja hier im Ländle zum Minister«, versuchte Fippa, ihre Freundin zu trösten. »Womöglich gar zum Ministerpräsidenten.«
    »Ach hör doch auf«, fauchte Sissi. »Und selbst wenn, was habe ich davon? Dann wohnen wir einfach nur auf dem Killesberg in Stuttgart anstatt auf dem Klingenberg in Schwäbisch Hall. Und auf diese lächerliche Ministerpräsidentenvilla auf der Solitude pfeif ich doch! Soll es das etwa schon gewesen sein?«
    Sissi strebte nach Höherem. Kanzleramt, besser noch Villa Bellevue. Oder am besten das Weiße Haus. Ziemlich verwegen, fand Fippa, der alles Ehrgeizige fremd war und die den Charme einer Kleinstadt wie Schwäbisch Hall sehr viel verlockender fand als die kalte Seelenlosigkeit einer angesagten Metropole.
    »Weißt du, ich habe Angebote …« Sissis Stimme verlor sich.
    »Angebote?«, hakte Fippa nach und konnte endlich ihre Hand sinken lassen, weil Sissi ihren Zigarettenstummel in hohem Bogen in den Pool geschnippt hatte und es folglich keine Rauchschwaden zum Wegwedeln mehr gab.
    »Von Männern.« Sissi zuckte mit den knochigen Schultern. Gegen sie war Victoria Beckham ein draller Moppel. »Von äußerst interessanten Männern.«
    Fippa

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