Nadelstiche
»Mit dieser Frage müssen wir uns heute nicht auseinandersetzen.«
Lisnek frohlockte. Seine Freude währte nur kurz.
Richter Freeman hatte alles aufmerksam verfolgt, aber es war offensichtlich, dass ihn das unbeabsichtigte wissenschaftliche Experiment von Großmutter Manfreda letzten Endes am meisten beeindruckt hatte. »Ihr fauliger Apfel wird als Beweismittel ausgeschlossen, Mr Lisnek. Meine schriftliche Begründung bekommen Sie nächste Woche. Was haben Sie sonst noch?«
»Wir haben einen Augenzeugen, der gesehen hat, wie Mr Heaton die Bombe platzierte, Sir.« Lisneks Stimme war fest und ruhig, aber Manny entging nicht, wie fest er seinen Stift umklammerte, so fest, dass die Knöchel weiß wurden.
13
Manny holte tief Luft, als Mr Park Sung Ho vereidigt wurde. Das Kreuzverhör von Dr. Olivo war gut gelaufen, aber sie war noch nicht aus dem Schneider.
Mr Park war ein schmächtiger Mann mit den hellen wachsamen Augen eines Singvogels. Er nahm seine Pflichten sehr ernst, die als Angestellter im Lebensmittelladen Happy Garden ebenso wie die als Zeuge vor Gericht. Ernsthafte fleißige Menschen wie er weckten bei Geschworenen unweigerlich Sympathie. Auch wenn heute keine Jury dabei war, hatte Manny das Gefühl, dass sie vorsichtig sein musste. Es war richtig gewesen, diesen großspurigen Wichtigtuer Olivo zum Narren zu machen, aber es wäre unklug, Mr Park zu beschämen.
Manny lauschte aufmerksam, während Lisnek die ersten Fragen an seinen Zeugen stellte. Nein, der Laden gehörte nicht ihm, sondern seinem Cousin. Ja, in der Nacht des 17. Mai hatte er allein dort gearbeitet. Er arbeitete jede Nacht dort. »Cousin traut nur mir zu, Nachtschicht zu arbeiten«, sagte Mr Park.
In jener Nacht waren sechs junge Männer hereingekommen. Mr Parks Augenbrauen senkten sich, als er sich an das Geschehen erinnerte. »Sie versuchen, mich austricksen. Sie geben Zwanzigdollarschein. Sie nehmen zurück, geben zehn. Dann sie tun Schokoriegel dazu, nehmen weg Chipstüte, immer ändern und ändern. Wollen mich durcheinandermachen, damit sie nicht bezahlen alles.«
Manny schielte zu Travis hinüber, der auf seinem Stuhl tiefer gerutscht war. Bis dahin war Mr Parks Erinnerung präzise. Dieser Mann hatte die Macht, ihren Mandanten für lange Zeit ins Gefängnis zu bringen, aber Manny empfand Mitgefühl für ihn. Ein Einwanderer, der sich abrackerte, um es in einer rauen Gegend zu etwas zu bringen, der das Eigentum seiner Familie beschützte – wer hätte kein Mitleid mit dem zarten Mann, der von einer Gruppe Jugendlicher schikaniert wurde?
»Auf Weg nach draußen, dieser Junge« – Mr Park zeigte ohne jede Unsicherheit auf Travis – »nimmt Apfel aus Korb. Nicht bezahlen.«
Mit stetig wachsender Selbstsicherheit dirigierte Lisnek Mr Park durch seine Aussage bis hin zu der Explosion. War Mr Park rechtzeitig an der Tür gewesen, um zu sehen, wie die Jungen den Briefkasten passierten? Ja. Hatte Mr Park gesehen, dass der Junge, der den Apfel gestohlen hatte, einmal hineinbiss und den Apfel dann in den Rinnstein warf? Ja. Hatte sich derselbe Junge gebückt und ein Päckchen unter den Briefkasten gelegt? Ja, mit großem Nachdruck. War der Briefkasten dann explodiert? Ja, ja, ja.
»Keine weiteren Fragen.« Lisnek wandte dem koreanischen Verkäufer den Rücken zu und schritt zurück zu seinem Platz.
Manny stand auf und lächelte den Zeugen an. »Guten Morgen, Mr Park. Danke für diese Darstellung. Sie sind offensichtlich ein sehr aufmerksamer Mensch.«
Mr Park nickte, erfreut darüber, dass Manny seine guten Qualitäten bemerkt hatte.
»Mr Park, haben Sie gesehen, dass auch noch ein anderer Junge einen Apfel aus dem Korb genommen hat?«
»Nein, bloß der Junge.«
»Waren alle sechs Jungen gleichzeitig an der Kasse?«
»Nein. Kommen und gehen.«
»Dann hätte also einer von den anderen einen Apfel nehmen können, während sie mit denen an der Kasse beschäftigt waren.«
»Ich alle Kunden sehe. Immer aufpasse, dass keiner stehlen.«
»Das bezweifle ich nicht, Mr Park. Aber während einige Jungen versuchten, Sie beim Zahlen zu verwirren, könnte sich einer anderer zugleich einen Apfel genommen haben. Wäre das möglich?«
Widerstrebendes Achselzucken. »Vielleicht.«
»Als Sie den Jungen nach draußen auf den Bürgersteig gefolgt sind, haben Sie da das Gesicht desjenigen gesehen, der das Päckchen unter den Briefkasten gelegt hat?«
»Nein. Ich sehe, wie Junge, der Apfel genommen, in Apfel beißen, dann wegwerfen. Er
Weitere Kostenlose Bücher