Nadelstiche
erkennen: TABERNCALE OF LIVING PRAISE . Andere Gegenden von Harlem waren inzwischen von den Yuppies erobert worden, aber diese trostlose kleine Enklave hatte sich wacker gehalten: Mietskasernen, Schnapsläden und Pfandleihgeschäfte. Die Nachbarn, die auf Eingangstreppen saßen und aus Fenstern lehnten, beobachteten das Drama vor ihren Augen mit ebenso viel Interesse, wie sie sich eine Wiederholung von NYPD Blue angeschaut hätten.
»Ich bring dich zur Leiche«, sagte Pasquarelli zu Jake. »Ich glaube, ich weiß, was du sagen wirst. Ich hoffe bloß, dass ich mich irre.«
Jake folgte ihm in einen halbdunklen Flur. Eine fette Ratte saß auf der Treppe, die in den ersten Stock führte, völlig unbeeindruckt von der ganzen Aufregung und sichtlich gespannt, ob im Gefolge dieser menschlichen Invasion auch etwas Essbares für sie abfallen würde. Als die Männer vorbeigingen, stieß die Ratte einen Laut aus, der erschreckend nach einem sarkastischen Kichern klang.
Pasquarelli zuckte zusammen. »Diese Scheißratten – hier wimmelt’s nur so davon. Man sagt, auf jede, die du siehst, kommen drei, die du nicht siehst.« Das musste er Jake, dessen Nase auf alles Tote so sensibel reagierte wie die eines Bluthundes auf Lebendiges, gar nicht erst sagen. Er witterte ihre Anwesenheit – ihren Kot, ihr Fell, ihre Kadaver – überall um sich herum. Der Geruch der Nager vermischte sich mit etwas weit Schlimmerem: menschliche Exkremente, menschliche Verwesung, menschliche Angst.
Der Flur, der geradewegs nach hinten durchführte, passierte zwei Räume. Der vordere Hauptraum, möbliert mit einem Wust von alten Stühlen und einem kleinen Rednerpult, wurde schwach von dem staubigen Sonnenlicht erhellt, das durch Fenster und Gitter drang. Ein paar Kriminaltechniker untersuchten den Raum, aber das eigentliche Zentrum hektischer Aktivität befand sich in dem kleinen fensterlosen hinteren Raum.
Dem Gebäude war schon lange der Strom abgedreht worden, und ein orangefarbenes Elektrokabel schlängelte sich nach draußen zu einem Polizeigenerator auf der Straße. Grelle Arbeitslampen ließen jede Einzelheit des Raumes stark hervortreten.
Eine nackte Männerleiche lag, Arme und Beine ausgestreckt, auf einer breiten alten Holztür, die auf zwei stabilen, vermutlich von einer Baustelle geklauten Sägeböcken ruhte. Der Mann war mit einem Strick, der durch große, direkt ins Holz geschraubte Metallringe führte, an die Tür gefesselt worden. Hände und Füße waren jeweils an einen Ring gebunden, und der Strick kreuzte den Torso an zwei Stellen, ohne dass rechts oder links noch Spiel gewesen wäre.
Jake wandte sich an Pasquarelli. »Wie kommt ihr darauf, dass der Vampir der Täter ist? Alle anderen Opfer wurden zu Hause überfallen.«
Der Detective zeigte auf etwas.
In der linken Armbeuge des Opfers klebte ein Pflaster mit einem Wattebausch darunter, als hätte dort eine medizinische Fachkraft Blut abgenommen. Auf dem Pflaster stand in säuberlicher schwarzer Druckschrift: Hier nachsehen. Jake tat wie geheißen und sah den kleinen Einstich für die Blutabnahme.
Ein geschmackvoller Pepitaanzug hing ordentlich auf einem Bügel. Ein Hemd und Unterwäsche lagen zusammengefaltet auf einem Stuhl, und darunter standen akkurat nebeneinander zwei klassische Herrenhalbschuhe. Die Kleidung des Opfers – der Mann war kein mittelloser Penner. Trotzdem, Jake blieb skeptisch.
»Vielleicht ein Trittbrettfahrer.«
Pasquarelli deutete beklommen auf den mittleren Bereich der Leiche. »Du bist der Fachmann, Doc, aber sind das nicht Verbrennungsspuren wie bei Ms Hogaarth? Und diese Einzelheit ist nicht an die Öffentlichkeit gegeben worden.«
Jake holte seine Lupe raus. »Bis zur Obduktion kann ich das nicht sicher bestätigen, aber ich glaube, du hast recht. Habt ihr ihn schon identifiziert?«, erkundigte er sich bei Pasquarelli.
»Er ist ein gewisser Dr. Raymond Fortes. Arbeitet für ein kleines Pharmaunternehmen. Die haben ihn am Mittwoch als vermisst gemeldet.«
Jake schüttelte den Kopf. »Er ist schon eine ganze Weile länger hier.« Er begann, die Leiche zu untersuchen, und sprach aus, was er sah. »Zahlreiche kleine Fleischwunden und Blutergüsse. Die Blutergüsse haben eine unterschiedliche Färbung – die gelblichen da sind älter, die bläulichen jünger. Rattenbisse – die ihm über mehrere Tage hinweg zugefügt wurden.«
»Was ist dieses schlammig aussehende braune Zeug in seiner Brustbehaarung und da auf dem Bein?«, fragte
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