Nadelstiche
verhaftet und ins Gefängnis gesteckt. Viele von ihnen spielen bis heute eine aktive Rolle in der argentinischen Gesellschaft. Wahrscheinlich ist Cintron einer von diesen durchtriebenen Typen, die immer auf der Seite derjenigen stehen, die gerade am Zug sind.«
»Als das alles passiert ist, gab es mich noch gar nicht«, sagte Manny, »aber fügt sich das nicht gut mit unserer Nixon-Rede zusammen? Nixon wird das Regime doch wohl unterstützt haben?«
Jake seufzte. Jede Erinnerung an Mannys jugendliches Alter deprimierte ihn. »Ja, mein Kleines, da hast du im Geschichtsunterricht gut aufgepasst. Die Junta war fanatisch antikommunistisch, was sie automatisch zu Alliierten von Nixon und Kissinger machte. Nixon war da natürlich schon nicht mehr im Amt, aber in dieser Zeit hat er den Elder Statesman und weisen Außenpolitiker gespielt. Daher auch der Vortrag im Scanion Center über die Notwendigkeit, ein Regime zu stützen, von dem er wusste, dass es Gräueltaten gegen die eigene Bevölkerung verübte.«
Manny biss kräftig in ihre Calzone und kaute nachdenklich. »Ich kapier das nicht, Jake. Warum sollte der Vampir wegen etwas, das vor über dreißig Jahren in Argentinien passiert ist, heute in New York Menschen umbringen?«
Jake schüttelte den Kopf. »Ich weiß es nicht. Aber eine mögliche Verbindung zwischen Cintron und Nixon scheint in diese Richtung zu führen. Und dann sind da noch die Fälle, in denen gefoltert wurde: Hogaarth, Fortes und Deanie Slade. Folter war ein Kennzeichen des Schmutzigen Krieges. Oppositionelle verschwanden einfach von der Bildfläche. Die meisten wurden in Geheimgefängnisse verschleppt, gefoltert, um ihnen Informationen über ihre Kameraden zu entlocken, und dann getötet.«
Manny rieb sich die Schläfen und verschmierte dabei ein bisschen Tomatensauce. »Du bringst mich noch mehr durcheinander. Wir wissen, dass Dr. Fortes Argentinier war; wir vermuten dasselbe von Ms Hogaarth. Warum wurden sie vor ihrem Tod gefoltert – weil sie Anhänger der Militärjunta waren oder weil sie sie bekämpft haben?«
Jake wischte Manny behutsam die Tomatensauce von der Schläfe. »Verlang nicht so viele Antworten. Vorläufig sammeln wir nur Fakten.«
»Gut, und wie erklärst du dir dann Folgendes? Deanie Slade wurde gefoltert, und sie hat die USA wahrscheinlich noch nie in ihrem Leben verlassen. Da gibt es keine Verbindung zu Argentinien.«
»Ein weiterer Faktor.«
»Jake, das hier ist keine akademische Übung!« Manny packte die Überreste ihres Dinners zusammen und stakste durch den Raum, um sie in den Mülleimer zu werfen. »Bei dieser ganzen stillen Analyse weiterer Faktoren sollten wir allerdings nicht aus den Augen verlieren, dass Travis Heaton in der Gewalt von Menschen ist, die nicht bloß töten, sondern auch noch foltern. Wir müssen ihn finden, und zwar schnell.«
»Dramatik ist im Gerichtssaal sinnvoll, Manny, aber Ermittlungen sind auf das stetige Sammeln von Beweismaterial angewiesen. Der Vorgang kann quälend lange dauern, aber bis jetzt hat noch keiner eine praktikable Alternative gefunden.«
Jake klopfte auf den Stuhl neben sich. »Wir müssen noch mehr Informationen finden. Bist du dabei oder nicht?«
Manny kam zurück und ließ sich auf den Stuhl fallen. »Natürlich bin ich dabei. Tut mir leid, dass ich dich angeblafft habe, aber ich hab solche Angst um Travis. Und es macht mich wütend, dass die Sandovals sich hinter ihrer diplomatischen Immunität verstecken dürfen. Die wissen bestimmt, was hier vor sich geht, aber irgendwie läuft es ihren eigenen Interessen zuwider, bei den Ermittlungen zu kooperieren.«
»Mal sehen, ob wir eine Verbindung zwischen Botschafter Sandoval und dem Schmutzigen Krieg finden«, sagte Jake und wandte sich wieder dem Computer zu. Er konnte Mannys mühsam unterdrückte Ungeduld spüren, während er tippte. Nicht zum ersten Mal fragte er sich, wie sie je die langweiligen Pflichtseminare ihres Jurastudiums durchgestanden hatte.
»Da haben wir Sandovals offizielle UN-Biografie. Keine Erwähnung irgendeines Militärdienstes. Er ist erst achtundvierzig. Wahrscheinlich war er während der Jahre des Schmutzigen Krieges auf der Uni.«
»Dann gehörten er und seine Frau vielleicht zur Opposition«, spekulierte Manny. »Das Regime hat doch meist junge Leute, Studenten, verschwinden lassen, oder?« Sie beugte sich gestikulierend vor, hatte Schwierigkeiten, ihre sich überschlagenden Gedanken in Worte zu fassen. »Paco hatte offensichtlich Angst wegen
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