Nächte am Nil
von Kufra und wurde dort, wie überall, wie ein Weltwunder, wie ein fliegender Geist bestaunt.
»Da sind sie!« schrie Oberfeldwebel Franz plötzlich und zeigte zur Seite. In der Wüste krochen drei Wagen und sechs Kamele durch den Sand. Sie hatten den letzten Brunnen hinter sich. Da die Wüstengrenze nur eine Linienziehung auf der Karte ist und im Sand nur alle dreißig oder fünfzig Kilometer durch eine einsame Stange mit der ägyptischen Fahne kenntlich ist – Fahnen, die per Hubschrauber abgesteckt worden waren –, bewegte sich die kleine Truppe dort unten bereits auf ägyptischem Gebiet. Weit hinten am Horizont, im Sonnenglast schwimmend, wie eine bläuliche Fata Morgana, sah man den Felsenriegel.
Der Fieseler Storch ging etwas tiefer. Die Männer unten in den Wagen winkten hinauf, der Pilot wackelte mit den Tragflächen zur Begrüßung, dann zog er die Maschine wieder hoch und nahm Kurs auf das blaue Gebirge.
Eine einmalige Befreiungsaktion lief an.
Sie war generalstabsmäßig vorbereitet und so unglaublich, daß sowohl Ägypten wie auch Libyen darüber schwiegen, weil in der Welt kein Platz mehr ist für Abenteuer, die nicht wahr sein können.
Am späten Nachmittag erreichte der Fieseler Storch den Felsenriegel. Um die gleiche Stunde landeten auch zwei Hubschrauber der ägyptischen Luftwaffe vor den Felsen und luden zehn Soldaten aus. Sie hatten den Auftrag, mit Luftunterstützung die Felsen und Schluchten systematisch durchzukämmen. »Nur da können sie sich versteckt halten!« hatte General Assban geschrien. »Nur da! Ihr findet sie – sonst braucht ihr gar nicht wieder zurückzukommen!«
Das Schicksal Alf Brockmanns war auf wenige Stunden zusammengeschrumpft.
*
Eine Stunde nach dem Abflug des Fieseler Storchs entzog sich Birgit Brockmann der von Hauptmann Brahms angeordneten Bewachung durch Zuraida, entwischte aus ihrem Hotelzimmer und fuhr mit einem schnellen Taxi nach Bengasi. Dort erreichte sie das letzte Transportflugzeug der libyschen Transportgesellschaft, die täglich viermal Waren in die Oasengruppe Kufra flog.
»Ich gebe Ihnen ein dickes Bakschisch«, sagte sie zu dem Flugzeugführer in der Wellblechbaracke am Rande des Flugfeldes. »Nehmen Sie mich mit. Ich setze mich auf eine Kiste. Ich nehme keinen Platz weg, und schwer bin ich auch nicht. Und fragen Sie nicht: Ich gebe Ihnen soviel, wie Sie sonst im ganzen Monat verdienen.«
Der libysche Flugzeugführer hob die Schultern. Geld ist der stärkste Magnet, dachte er. Es saugt selbst die Vernunft aus dem Gehirn.
»Ich werde Sie nachher in dem Transportraum der Maschine verstecken«, sagte er in holprigem Englisch. »Aber wenn Sie einer entdeckt – ich weiß von nichts. Sie sind blinder Passagier.«
»Abgemacht.« Birgit drückte ein paar große Geldscheine in die braune Hand des Libyers. »Wann fliegen Sie?«
»In zehn Minuten.«
Als Zuraida den neuerlichen Alleingang Birgits entdeckte, war es bereits zu spät, etwas zu unternehmen. Hauptmann Brahms konnte nicht verständigt werden, Birgit schwebte bereits in der Luft, der ›Stoßtrupp‹ hatte die Oase Kufra längst verlassen und befand sich in der Wüste.
»Man hätte sie festbinden sollen!« rief Zuraida verzweifelt. »Jetzt wird sie in ein Räderwerk geraten und zermahlen werden. Sie kann doch jetzt gar nichts mehr ausrichten. Wo will sie denn bloß hin?«
Mit der Abenddämmerung landete Birgit auf dem kleinen Flugplatz Bzéma der Oase Kufra.
400 Kilometer weiter südöstlich trafen in dieser Stunde Hauptmann Brahms und die ägyptische Militärsuchgruppe in den Felsen aufeinander.
*
Der Fieseler Storch kreiste wie ein riesiger Geier über dem Felsenriegel. Zuerst waren es große Bogen, aber dann wurden die Kreise immer kleiner und enger, wie bei einem Raubvogel, der sein Opfer gesichtet hat.
Hauptmann Brahms tastete die Felsen Stück für Stück ab, immer in der großen Hoffnung, daß Alf Brockmann sich wirklich hier verborgen hielt.
Zum viertenmal kreiste der alte Vogel mit dem knatternden Motor bereits über der Schlucht, in der die Höhle lag. Die Kamele hatte Aisha einzeln in eine Seitenschlucht geführt, an dicken Steinen festgebunden und sich niederlegen lassen. Sie sahen aus der Luft wie verwitterte Felsen aus, über die graubrauner Sand geweht war. Dann, als das Flugzeug näher kam, rannte sie zur Höhle zurück und beobachtete vom Eingang aus das beängstigende Kreisen über ihrer Schlucht.
»Wieder die Hubschrauber, Aisha?« fragte Brockmann. Er war bis zum
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