Nächte am Nil
einem der heimlichen Sklavenmärkte. Stimmt es bis hierher?«
Omar Sharifan schwieg. Nur in seine Augen trat unbändiger Haß. Hauptmann Brahms hob die Schultern. Er ging zum Wagen und kam mit einem geschlossenen Holzkasten zurück. Diesen stellte er neben Omars Oberschenkel in den Sand und setzte sich wieder auf den geschnitzten Hocker.
»Weißt du, was das ist?« fragte er. »Das ist ein kleiner Bienenstock. Jetzt schlafen die guten Tierchen, aber wenn die Sonne herauskommt, haben sie die Sehnsucht, zu schwärmen und Süßigkeiten zu sammeln.« Brahms sah auf seine Uhr. »In drei Stunden beginnt der Morgen. So lange können wir uns noch unterhalten. Dann aber, mein Lieber, werde ich deine untere Körperpartie mit Honig einschmieren und die Bienchen freilassen. Es ist eine Anregung, die noch jeden zum Singen gebracht hat. Auf der Agentenschule in Kairo habe ich das gelernt. Man nennt es ›die natürliche Methode des Verhörs‹.«
Omars Augen weiteten sich. Er stierte auf den hölzernen Kasten. Schweiß rann plötzlich über seinen Körper, obgleich die Nacht kühl war.
»Herr –«, stammelte er.
»Ach, du hast doch einen Mund?« Brahms beugte sich vor. »Wohin hast du die weiße Frau gebracht? An wen hast du sie verkauft?«
»Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Herr«, stammelte Omar.
»Es ist sinnlos.« Brahms erhob sich und ging zum Wagen. Er legte sich auf die Polster und wartete, bis die Sonne am Horizont über den Himmel kroch. Dann ging er zurück zu Omar.
Sharifan hatte versucht, die Fesseln zu lösen. Er hatte sich im Sand gewälzt, der Boden unter ihm war zerwühlt, aber die Stricke hielten. Brahms nickte ihm zu, drehte ihn wieder auf den Rücken und tauchte einen Blechlöffel in eine Honigdose. Er beschmierte den Unterleib Omars mit dem klebrigen Brei, warf die Dose dann weit weg in den Sand und beugte sich über den hölzernen Kasten. Im Inneren summte und brummte es. Die eingesperrten Bienen wollten nach draußen.
»Herr!« brüllte Omar Sharifan und riß an den Fesseln. »Allah wird dich für diese Stunde verfluchen!«
»Das kümmert mich wenig. Wo ist die weiße Frau?«
»Ich weiß nicht!« heulte Sharifan.
»Flieg, Bienchen flieg«, sagte Brahms und schob den Verschluß von dem Kasten.
Hell summend schoß eine Wolke aus dem Loch und kreiste wie dunkler Nebel über dem liegenden, nackten Körper. Dann rochen die Bienen den Honig, und wie auf Kommando stürzten sie sich auf den Unterleib Omars.
Brahms wandte sich ab und ging zum Wagen.
Hinter ihm gellte ein Schrei auf. Dann ein zweiter, dann ein anhaltendes Wimmern und Stöhnen.
Nach zehn Minuten brüllte Omar Sharifan mit einer nicht mehr menschenähnlichen Stimme. Nach weiteren fünf Minuten verscheuchte Brahms die Bienen mit einer Insektensprühdose und beugte sich über den halb wahnsinnigen Sharifan.
»Wo ist die weiße Frau?« fragte er.
»In Uau-el-Chebir«, röchelte Omar. »Bomboko hat sie gekauft. In Lagos. Sie ist jetzt auf dem Weg nach Niger, wo ein Flugzeug sie erwartet.«
Brahms schleifte den nackten Körper Omars zum Wagen zurück und warf ihn auf die Hintersitze.
»Das hätten wir alles einfacher haben können, mein Junge«, sagte er. »Wenn du ganz großes Glück hast, wirst du nachher in Bzéma nicht totgepeitscht. Es wäre allerdings die einzig richtige Strafe für ein Schwein wie dich.«
Als sie wieder in den Kufra-Oasen ankamen, erwartete sie schon der Militärkommandant auf der Straße. Er nahm Omar Sharifan in Empfang und ließ ihn wegbringen. Zu Brahms sagte er etwas bedrückt: »Bitte entschuldigen Sie, Herr Kamerad.«
Von Omar Sharifan hat man nie wieder etwas gehört noch gesehen.
*
Die Sklavenkarawane, die in Uau-el-Chebir zusammengestellt wurde und noch am gleichen Tag abmarschierte, bestand aus dreiundvierzig schwarzen Mädchen, zwanzig jungen Männern, neun arabischen Bewachern und dem ›Führer‹, der sich stolz mit Bei anreden ließ. Er ritt einen weißen Hengst mit silberbeschlagenem Zaumzeug und preschte ab und zu an der langen Kolonne der zu Fuß durch die Hitze schwankenden Sklaven vorbei und ermunterte ihren Schritt durch Hiebe mit einer langen Ledergerte. »Lang lebe Boran-Bei!« mußten die Männer rufen.
Wenn die Müdigkeit zu groß wurde, ließ Boran-Bei singen. Ein Vorsänger mit schriller Stimme gab den Takt und die Melodie an, und die Sklaven, mit Stricken untereinander verbunden, fielen im dumpfen Chor ein. Auch die Mädchen sangen mit. Ihre hellen Stimmen waren mehr ein
Weitere Kostenlose Bücher