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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Aufschrei als eine Melodie.
    So zogen sie stundenlang durch eine steinige Wüste, bekamen dreimal zu trinken und einmal zu essen – Hirsebrei mit trockenen Früchten –, ruhten eine Stunde und marschierten dann weiter.
    Nach Süden. Nach Niger. In ihre neue Zukunft als Sklaven.
    Eine Ausnahme bildete allein Birgit. Sie brauchte nicht zu gehen. Für sie hatte man eine Art Sänfte konstruiert. Auf vier runden Hölzern schwankte ein Bretterboden, auf dem ein kleines Zelt errichtet war. Acht junge, starke Neger trugen dieses Gebilde, in dem Birgit auf seidenen Kissen hockte und tränenlos vor sich hin starrte.
    Ein paarmal ließ Boran-Bei halten und schlug den Eingang des Zeltes etwas zurück.
    »Wie geht es, Madame?« fragte er. »Sie sollen keinerlei Klagen haben.«
    Auf diese Fragen antwortete Birgit nicht. Sie blickte zur Seite oder drehte sich um. Boran-Bei hob die Schultern, ließ die Zeltplane zufallen, hieb auf die Träger ein und schrie: »Weiter, ihr Auswürfe eines Schakals! Weiter!«
    In der Nacht – sie hatten ein Lager zwischen verwitterten, niedrigen Felsen aufgeschlagen, dem letzten, spärlich bewachsenen Landstreifen, bevor sie wieder die trostlose Sandwüste aufnahm – lagen oder saßen die Sklaven innerhalb eines Ringes von Lagerfeuern, eng zusammengedrängt und an den Füßen aneinandergefesselt. Außerhalb der Lagerfeuer standen die Zelte der Begleiter und Bewacher. Boran-Bei hatte sich die schönste Sklavin, ein sechzehnjähriges Mädchen aus dem Tschad, schwarz wie Ebenholz und mit der Figur einer Venus, in sein Zelt geholt. Dort bekam sie für ihren Liebesdienst eine Schüssel voll Fleisch und Reisbrei. Eine fürstliche Belohnung, um die sie die anderen Mädchen beneideten.
    Neben dem Zelt, in dem Birgit ungefesselt ruhte, lag der Neger Dumba. Er war ein Mann mittleren Alters, mit krauswolligem Kopf und zwei tiefen Stammesnarben auf beiden Wangen. Sklavenjäger hatten ihn im Inneren des Sudans gefangen und wie ein seltenes Tier über zweitausend Kilometer hinweg zum Markt nach Uau-el-Chebir gebracht. Nun sollte er zurück in den Süden, nach Ghana, als Gärtner eines reichen Kaufmannes. Seit vier Monaten war er unterwegs. Er brauchte keine Schuhe mehr. Seine Fußsohlen waren dick mit Hornhaut überzogen.
    Dumba hob einen Zipfel des Zeltes und sah hinein. Er hatte die weiße Frau leise weinen gehört. »Pst«, machte er, und sofort schwieg Birgit. Sie starrte in die Dunkelheit, aber konnte nichts erkennen. Erst als sich neben ihr die Leinwand etwas bewegte, tastete sie mit der Hand dorthin und griff in die wolligen Haare Dumbas. Der Neger lag flach auf der Erde und hatte seinen Kopf unter das Zelt geschoben.
    »Keine Angst, Frau«, flüsterte Dumba in holprigem Englisch. Er hatte ein Jahr auf einer Plantage gearbeitet und so viel gelernt, daß er sich verständlich machen konnte. »Ich helfen. Dumba nicht nötig, zu helfen, aber weiße Frau muß weg …«
    Er schwieg, streckte sich und lag still, als schlafe er. Die Wache machte ihre Runde. Um das Zelt und Dumba kümmerte sich niemand. Die weiße Frau war sicher. Wohin sollte sie auch fliehen? Zu Fuß? Man würde sie ein paar Stunden später aufsammeln wie einen verlorenen Hirsesack. Das gleiche galt für Dumba. Seine Heimat war der Sudan. Er konnte sie nie mehr erreichen. Für ihn war die Zukunft sicherer und schöner als eine Flucht ins Ungewisse. Er genoß deshalb auch Sonderrechte in der Sklavenkarawane. Er war der Kalfaktor. Er gab den anderen Sklaven das Wasser und den Hirsebrei; er bestimmte, wer die Sänfte Birgits tragen mußte; er war der Mittelsmann zwischen der lebenden schwarzen Ware und den Händlern. Man fesselte ihn deshalb auch nicht des Nachts. Wo konnte es Dumba besser haben als hier, dachte jeder.
    »Wie willst du mir helfen?« flüsterte Birgit zurück.
    »Du flüchten.«
    »Wohin?«
    »Siebzig Meilen von hier, im Norden, ist eine Militärstation. Dort mußt du hin.«
    »Und du?«
    »Dumba hat kein eigenes Leben mehr.«
    »Du willst hierbleiben?«
    »Nein. Ich mitkommen. Aber dann dich allein lassen. Besser so, Frau. Ich gehe weg zu aufgehende Sonne, du geradeaus. Ich mache breite Spur … du nichts. Dann bist du sicher.«
    Birgit schwieg. Flucht oder Gift, das waren die einzigen Möglichkeiten, die ihr blieben. Zuletzt das Gift, wenn alles andere versagte.
    »Wann?« flüsterte sie.
    »Ich hole dich, Frau. Warte!«
    Die Zeltleinwand raschelte leise, der wollige Schädel glitt weg.
    Um die Sklaven brannte noch immer der

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