Nächte am Nil
direkt mit der Zentrale sprechen. Ich muß, hörst du?« Aisha ergriff Ben Alkirs Kopf und drückte ihn gegen ihre Brust. Er atmete den Duft ihrer Haut, spürte den sanften Druck ihres Fleisches und schloß verwirrt und wie betäubt die Augen. »Einen Wagen. Hassan. Er ist morgen wieder zurück. Und übermorgen werden wir über deine Liebe sprechen.«
»Aisha!« Er umfing sie und küßte ihre Hände und Arme. »Mach mich nicht verrückt. Die Wagen sind …«
»Du kannst einen herausschieben. Ich weiß, daß du in einer Stunde Garagenwache hast. Oder bist du ein Feigling? Bist du nur mutig im Bett, zwischen den Armen einer wehrlosen Frau?«
»Komm«, sagte Ben Alkir heiser, »gehen wir. Es steht da ein alter Wagen herum, ein ausrangierter Jeep, mit Verdeck und Türen, ein Offizierswagen. Er fährt noch, auch wenn er verschrottet werden soll. Wenn der fehlt, merkt es keiner.« Er nahm Aishas Kopf zwischen beide Hände und küßte sie wild auf den Mund. »Allah soll mich verfluchen, wenn ich nicht alles tue, was du willst. Komm, wir gehen sofort zu den Boxen.«
Eine halbe Stunde später fuhr Aisha auf der kaum erkennbaren, nur durch Raupenkettenspuren sichtbaren Wüstenpiste nach Osten.
Erreicht, dachte sie glücklich. In El Minya treffe ich Kontaktmann Alpha vier. Er hat eine direkte Leitung zur Zentrale. Ich werde ihnen alles sagen. Anflehen werde ich sie, mich aus den Diensten zu entlassen.
Sie atmete tief auf und hüllte sich enger in den wollenen Umhang. Die kalte Wüstennacht ließ sie frieren. Aber gleichzeitig durchströmte sie ein glückliches Gefühl.
Sie hatte neue Hoffnung. Sie wollte der Zentrale ihre Liebe zu Alf gestehen und darüber hinaus ihre Einsicht über die Sinnlosigkeit des Todes Brockmanns, ja, sie wollte um Alfs Leben betteln, auch wenn sie wußte, wie hart die Männer sein konnten, deren Beruf es ist, gefühllos wie ein Stein zu sein.
Wenn Alf am Morgen aufsteht, kann ich wieder zurück sein, dachte sie und trat den Gashebel durch. Der alte, klapprige Wagen stöhnte auf, der Motor schrie und röchelte, aber er hüpfte wie ein trunkener Floh über die sandige Piste und donnerte El Minya entgegen.
Militärkolonnen kamen ihr entgegen, Soldaten winkten und riefen ihr Witze zu, ein Militärpolizist auf einem Motorrad kontrollierte ihren Ausweis und grüßte sogar, als er die Unterschrift von General Yarib Assban erkannte. Dann war sie wieder allein in der Nacht, umgeben von Sternen und Stille. In der Wüste, ganz fern, hörte sie das heisere Bellen der Schakale.
Plötzlich machte der Wagen einen Satz nach vorn, schien sich in die Luft zu heben, schwebte mit allen vier Rädern einen Augenblick wirklich über der Piste, fiel dann zurück und starb mit einem Aufschrei des Motors ab. Aisha wurde vom Sitz geschleudert, fiel auf die Straße und rollte ein paar Meter weiter, bis ein Sandhügel sie auffing. Benommen richtete sie sich auf und sah auf das Auto. Es stand mitten auf der Straße, und aus dem Motorraum quoll Rauch durch alle Ritzen der Motorhaube.
»Auch das noch«, sagte Aisha laut. »Allah verfluche diesen Hassan Ben Alkir. Er hat mir ein Wrack gegeben.«
Mit steifen Beinen und Schmerzen in den Hüften ging sie zu dem alten Gefährt und schob es von der Straßenmitte an den Rand der Piste. Dann setzte sie sich auf das Trittbrett und wartete, daß jemand kommen würde und sie abschleppte.
Zurück nach Bir Assi.
Aishas Ausflug mit dem Mut der Verzweiflung endete an einem auseinanderbrechenden Motor.
*
Einen Tag vor diesen Ereignissen fand im Hause des ehemaligen deutschen Hauptmanns Josef Brahms in Kairo eine kurze, aber sehr steife Aussprache statt. Hans Ludwigs stand vor Jussuf Ibn Darahn, wie Brahms jetzt hieß, und hatte keine anderen Möglichkeiten der Verteidigung als vage Versicherungen.
»Ich habe von dem Paket erst erfahren, als es schon in Bir Assi war«, sagte er. »Ich bitte mir das zu glauben.«
»Glauben!« Hauptmann Brahms hieb mit der Faust auf den Tisch. »Das ist keine Zusammenarbeit mehr, Ludwigs. Das ist keine Kameradschaft. Wir waren uns einig: Zug um Zug. Mal du, mal wir. Immer im Gleichgewicht. Mal ägyptischer Kommandotrupp, also wir – mal israelischer Kommandotrupp, also du, nach der alten Devise: Hau ich deinen Neger, haust du meinen Neger. Aber du boxt viermal, während wir wie die Bettnässer herumsitzen und melden müssen: Haben nichts gewußt. Ludwigs, willst du uns hochgehen lassen?« Hauptmann Brahms bekam einen dunkelroten Kopf. »Du solltest
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