Nächte am Nil
hört man bestimmt nicht.«
Birgit wich zurück zur Wand. Wieder diese Blicke, diese eindeutigen, gierigen Augen.
»Wo bin ich?« fragte sie. »Was soll das alles?«
»Zwei Fragen auf einmal. Zunächst: Sie sind bei mir. Sie haben das schönste Zimmer aller Frauen. Sie haben einen ganzen Flügel des Harems für sich.«
»Des Harems …«, stotterte Birgit. Ihr Herz krampfte sich vor Angst zusammen.
»Ihre blonden Haare, gnädige Frau. Sie haben mich um den Verstand gebracht.« Faruk hob wie beschwörend beide Arme. »Solche Schönheit der Welt zu zeigen, das ist ein Verbrechen, empfand ich. So etwas gehört nur einem Mann allein, das ist ein Schatz, wertvoller als der der Pharaonen. Und ich beschloß, Sie zu stehlen, ja, Sie einfach dem anderen zu stehlen, damit Sie für mich allein leben, gnädige Frau!« Faruk machte eine alles umfassende Handbewegung: »Ich lege Ihnen mein Haus, mein Geld, mich selbst zu Füßen, wenn Sie mir das Glück schenken, das Ihre Liebe bedeuten muß. Ich lege Ihnen Millionen zu Füßen.«
Birgit verschränkte die Arme vor der Brust. Ihre Kehle war wie zugeschnürt. »Wenn … wenn Sie mich lieben …«, stammelte sie, »… ich bitte Sie, ich flehe Sie an … lassen Sie mich gehen. Was Sie verlangen, ist doch Irrsinn.«
»Für einen Europäer vielleicht, aber nicht für uns.« Faruk kam langsam näher. »Mohammed nannte drei Dinge, die das Wichtigste und Schönste des Lebens bedeuten: ein Pferd, die Gesundheit des Leibes und das Herz eines Weibes. Ich habe hundert weiße Hengste, ich habe vier Ärzte, die sich um mich kümmern … es fehlt mir zum Paradies nur noch Ihr Herz. Verweigern Sie es mir nicht. Lassen Sie mich dieses Paradies betreten wie ein Seliger, aber lassen Sie es mich nicht erobern.«
Birgit verstand diese Drohung. Sie wußte: Schreien hilft nichts mehr. Gegenwehr war sinnlos. Es half nur eines noch: die List.
Sie nickte deshalb und setzte sich auf den breiten, seidenen Diwan.
»Sie haben mich überzeugt, Faruk«, sagte sie leise. »Aber bitte, lassen Sie mir Zeit. Verlangen Sie nichts Plötzliches. Jeder gefangene Vogel flattert erst, bis er sich an seinen Käfig gewöhnt hat.«
Faruk verbeugte sich und trat wieder zurück zur Tür.
»Ich werde warten. Es stehen sechs Dienerinnen zu Ihrer Verfügung. Sie brauchen nur die Glocke auf dem Tisch zu schlagen.«
Dann klappte die Tür wieder zu, als habe sich eine Wand geöffnet und wieder geschlossen.
Birgit wartete ein paar Minuten, dann lief sie wieder zu den golden vergitterten Fenstern.
Der Innenhof war leer. Der Brunnen lag im Mondschein wie ein tränendes Auge. Über dem Haus wölbte sich der Nachthimmel, bestickt mit Millionen glitzernder Diamanten.
Nächte am Nil, dachte Birgit und preßte die Stirn gegen das goldene Gitter. Wie oft liest man davon. Nun erlebe ich sie, in einem Palast aus Gold und Kobalt und Marmor und Alabaster.
Im Harem Faruk Ben Sahedis.
O Alf, was wird aus uns werden!
Sie sank in die Knie und weinte.
Hinter ihr servierten drei stumme Dienerinnen das Abendessen. Auf großen, silbernen Tafeln lagen gebratene Hühner und kunstvoll garnierte Fruchtberge.
Die Lieblingsfrau, die neue, blonde Huri war eingezogen, und der ganze Harem ordnete sich ihr unter.
Und im Innenhof, versteckt im Schatten der Säulen, begannen die Musikanten zu spielen. Zimbeln und Flöten, Geigen und Handtrommeln. Eine klagende Melodie.
Birgit lag auf dem Diwan und weinte haltlos. Sie sah keinen Ausweg mehr.
*
Drei Wochen wartete Konrad Gerrath auf eine Nachricht von Birgit, dann ging er wieder zur Polizei. Birgits Mutter, Berta Koller, lebte seit dem Verschwinden Jörgis in einem Sanatorium. Sie war nicht zu bewegen, wieder in das leere Haus zu ziehen. »Ich würde wahnsinnig«, jammerte sie. »Überall in jeder Ecke können Verbrecher lauern. Ich stürbe vor Angst.« So blieb sie als Pensionärin im Sanatorium, weit weg von Lübeck, im Schwarzwald. Dort saß sie oft auf einer Bank im Wald, schüttelte den Kopf und sagte in der Art der alten Leute: »Nee, nee, wie ist so was nur möglich? Was ist das für eine Welt?«
Der Kommissar der politischen Abteilung empfing Konrad Gerrath sofort.
»Noch nichts Neues von dem Jungen, Herr Doktor«, sagte er, bevor Gerrath seinen Wunsch vortragen konnte. »Keinerlei Anhaltspunkte. Allerdings sind uns, wie Sie wissen, die Hände gebunden, sobald wir an die Mauer der diplomatischen Immunität prallen. Und hier endet jede Spur.«
»Frau Brockmann ist nun auch
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