Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
Vom Netzwerk:
hörte Fenster zerspringen, ein Glassplitterregen ging auf ihn nieder, Blech- und Eisenteile surrten wie Granatsplitter durch die Luft, irgendwo schrie eine Frau, grell, durchdringend, in Todesnot … dann war es plötzlich still, so, als sei alles im weiten Umkreis gelähmt.
    Dann aber gellten Sirenen auf, Menschen liefen heran, die Frau schrie noch immer, jemand brüllte: »Einen Arzt!« Über Gerrath hinweg stolperten Menschen, rannten, hetzten, traten ihm auf die Hände und den Rücken, überwalzten ihn – dann war auch das vorbei, sogar das Schreien der Frau. Nur Hunderte von Stimmen füllten die Straße.
    Gerrath erhob sich taumelnd. Er blutete im Gesicht und im Nacken von den Glassplittern, seine Hände, über die die Menschen gerannt waren, brannten. Er lehnte sich gegen die Hauswand und sah als erstes, daß die große Scheibe des Lebensmittelladens völlig zertrümmert war.
    Erst dann fiel sein Blick auf die andere Straßenseite, auf sein Auto.
    Ein Haufen verbogenen, zerfetzten Blechs war alles, was übriggeblieben war. Vor diesem noch rauchenden Wrack standen vier Beamte des politischen Kommissariats, auch der Leiter der Dienststelle, und bemühten sich um eine Frau, die von einem Motorstück schwer verletzt auf der Straße lag, umgeben von einer großen Blutlache. Ein Krankenwagen mit Blaulicht raste heran, ihm folgten zwei Mannschaftswagen der Polizei.
    Die Straße wurde abgesperrt, die Menschen weggedrängt. Konrad Gerrath ließ man über die Straße kommen, als er sagte, er sei der Besitzer des gesprengten Wagens.
    »Mein Gott, Sie leben«, sagte der Kommissar und rannte Gerrath entgegen. »Wir haben schon in den Trümmern gesucht und gedacht, Sie hängen in Einzelteilen rundherum an den Dachrinnen.«
    »Danke.« Gerrath versuchte ein Lächeln. »Ich wollte nur Zigaretten holen. Den Zündschlüssel hatte ich schon rumgedreht.«
    »So jagt man sich selbst in die Luft.« Der Kommissar stützte den blutenden Gerrath und führte ihn ins Haus. »Es ist ein alter Trick: Bombe gekoppelt mit elektrischem Anlasser, in diesem Fall mit einer raffinierten Verzögerung. So sind schon viele Unbequeme hochgegangen. Aber daß man es hier vor unseren Augen macht – die Brüder müssen sich ungeheuer sicher fühlen.« Er führte Gerrath in einen Waschraum und drehte den Wasserhahn auf.
    »Sie beschwerten sich doch vorhin, lieber Doktor, daß Sie gar nichts mehr hören«, sagte der Kommissar dabei voller Sarkasmus. »Sie haben sich geirrt, wie Sie sehen. Das war ein Gruß aus dem Dunkeln. Wollen Sie noch mehr?«

Konrad Gerrath schwieg. Er zog sein Hemd aus und wusch sich den Oberkörper. Das Blut war bis in den Hosenbund gelaufen.
    »Was werden Sie nun tun, Herr Kommissar?« fragte er, als er sich abtrocknete.
    »Ermitteln.«
    »Und?«
    Der Kommissar hob die Schultern. »Es ist noch kein Fall eines solchen Bombenanschlages aufgeklärt worden.«
    *
    Die Krisis dauerte über acht Tage, dann war Jörgi, medizinisch gesehen, gerettet. Dr. Sikku kam jeden Tag in das einsame Haus und spritzte Antibiotika, um die drohende Bauchfellentzündung im Keim zu ersticken. Beim zweiten Besuch brachte er eine Krankenschwester mit, ein junges, glutäugiges Mädchen, das sich Zareb sofort vornahm, als Dr. Sikku wieder weggefahren war.
    »Hör einmal zu, du Tochter einer Hyäne«, sagte er mit finsterer Miene. »Was du hier siehst, gibt es gar nicht, verstehst du? Und wenn man draußen erfährt, was hier los ist, kann es nur von dir kommen. Dann werde ich dein schönes Gesicht zerquetschen wie eine Weintraube.«
    Die Krankenschwester antwortete nicht. Sie ließ Zareb stehen und ging zurück in das kleine, dumpfe Krankenzimmer.
    Am fünften Tag nach der schweren und kühnen Operation erkannte Jörgi zum erstenmal seine Umwelt wieder. Er öffnete die Augen für ein paar Sekunden, und das erste, was er sah, war ein lächelnder Frauenkopf.
    »Mami …«, sagte er kaum hörbar. »Mami, du bist da …«
    Dann fiel er wieder zurück in die Bewußtlosigkeit.
    Am Tage darauf unterschied er schon die Gegenstände im Zimmer und erkannte, daß die Frau an seinem Bett nicht seine Mami war, sondern eine Schwester in einem weißen Häubchen und mit einer weißen Schürze. Auch Zareb, der einmal ins Zimmer kam, erkannte er wieder, und in seine Augen trat ein Hauch von Angst und Abwehr. Die Krankenschwester erhob sich und winkte Zareb ab.
    »Gehen Sie hinaus«, sagte sie grob. »Der Junge hat Angst vor Ihnen. Wer Sie ansieht, kann ja auch nicht gesund

Weitere Kostenlose Bücher