Nächte am Nil
Botschaft verließ und zu den Anlegestellen der Nilausflugsdampfer ging. Große Schilder in allen Sprachen, auch in Deutsch, wiesen ihr den Weg.
Große Nilfahrt. Gizeh – Beni Suef – Assiut – Assuan – Abu Simbel. Jeden Montag und Donnerstag.
Und dann viele kleinere Boote, arabische Dhaus, vorsintflutliche Kähne. Rundfahrt Kairo – Gizeh. Mit Besichtigung der Pyramiden und Kamelritt in die Sanddünen.
Immer wieder und überall Gizeh.
An den Landungsbrücken stand ein Dolmetscher. Auf seiner grellgelben Armbinde leuchtete in Rot auch: Deutsch. Birgit wandte sich an ihn und gab ihm zunächst ein halbes Pfund in die wie zufällig offene Hand.
»Ich möchte gern nach Fort Gizeh«, sagte Birgit unbefangen. »Wie komme ich da hin?«
»Überhaupt nicht. M'dam.« Der Dolmetscher musterte Birgit wie eine stinkende Aussätzige. Fort Gizeh, dachte er. Sie ist verrückt, beim Barte Mohammeds.
»Ich muß aber hin.«
»Es geht aber nicht.«
Birgit opferte noch ein halbes Pfund ihrer kleinen Reisekasse. Der Dolmetscher hob die Augen zum Himmel. O Allah, ein Bakschisch ist immer noch eine Gnade von dir. Auch für einen staatlich bezahlten Dolmetscher. Immerhin habe ich sieben kleine, hungrige Kinder und drei Frauen.
»Sie können Fort Gizeh vom Boot aus sehen, M'dam«, sagte er deshalb. »Aber ans Ufer können Sie nie. Militär, Wachen, Minen, elektrische Zäune, Kanonenboote … unmöglich. Auch halten darf kein Boot, nur schnell vorbeifahren. Das ist alles.«
Er drehte sich um und lief auf eine englische Miß zu, die sich mit einem Baedecker in der Hand orientieren wollte. Er empfand das als eine Blasphemie, denn Ägypten lernt man nur durch einen guten Dolmetscher kennen.
Birgit mietete sich einen Platz auf einem der kleinen Motorboote, die mit höchstens zehn Passagieren Rundfahrten auf dem Nil unternehmen. Das Boot, das sie bestieg, war nur noch mit drei stummen Arabern besetzt, die, in ihre Dschellabas gehüllt, wie Wachspuppen auf den Nil starrten und die blonde, junge Frau nicht beachteten. Bewegung kam in die verhüllten Gestalten erst, als ein dicker, älterer Mann mit einem Fez auf dem runden Schädel an Bord sprang. Da erst merkte Birgit, daß die drei eine Art Leibwache des Dicken bildeten. Im gleichen Augenblick, wo der Fezträger an Bord war, warf man auch schon die Leinen los, und das Boot glitt hinaus auf den Nil.
Birgit war nach vorn gegangen und starrte in das schäumende Wasser, das der Kiel durchschnitt, sah dann hinüber zum Ufer mit den herrlichen Gärten und den weißen Villen und Märchenpalästen, bis – abrupt wie alles im Orient – auch diese Zone des Reichtums abgeschnitten wurde und erbärmlichste Armut, verfallende Hütten und unter der Sonne brütende Fellachendörfer das Uferbild bestimmten.
Und noch etwas fiel ihr auf: Überall, selbst in den armseligsten Dörfern, lag Militär, parkten Lastwagen am Ufer, wuschen Soldaten ihre Wäsche am Flußufer oder spritzten ihre Autos ab. Dann hörten auch die Hütten auf, und der elektrische Zaun begann, von dem der Dolmetscher gesprochen hatte, unterbrochen von Wachtürmen und niedrigen, grasbewachsenen Hügeln, unter denen sich, jeder wußte es, tiefe Betonbunker befanden.
»Darf ich mich Ihnen vorstellen, gnädige Frau«, sagte eine tiefe Stimme hinter Birgit. Sie fuhr herum. Der Dicke mit dem Fez stand hinter ihr und verbeugte sich mit einem Lächeln. »Mein Name ist Faruk Ben Sahedi.«
»Helga Sommer …« Birgit hatte das unangenehme Gefühl, von den Blicken Faruks ausgezogen zu werden. »Sie sprechen Deutsch mit mir? Woher wissen Sie, daß ich Deutsche bin?«
»Mein Auge, gnädige Frau.« Faruk lächelte und setzte sich neben Birgit. »Ich habe in Deutschland drei Jahre gelebt. Das Blond Ihrer Haare, der Schnitt Ihres Kleides, die Form Ihrer Reisetasche, Ihr Oxford-Englisch, Ihre romantische Nilbetrachtung – Sie konnten nichts anderes sein als Deutsche.« Er winkte. Einer der drei Leibwächter brachte ein Tablett mit eisgekühltem Fruchtsaft. »Sie reisen so ganz allein, gnädige Frau? Abseits vom deutschen Touristenleben?«
»Ich besuche meinen Mann«, sagte Birgit. Es war eine deutliche Abwehr. Irgendwie empfand sie Angst vor diesem dicken Ägypter, der so reich war, daß er mit drei Dienern reiste und einen batteriebetriebenen Eiskühler im Gepäck mit sich führte. Seine Augen gefielen ihr nicht. Sie waren gierig und stechend, sie tasteten Birgits Körper ab wie eine Handelsware.
»Ihr Mann. Ach. Er arbeitet in
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