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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wollige Haar des Kamelhalses, die eigene, wie Pergament sich anfühlende, ausgedörrte Haut. Sie hörte das Schnauben der Kamele, ab und zu einen Zuruf Aishas, das Tappen und Knirschen der Hufe, das Knarren der Sättel und Lasten. Ein paarmal am Tage kam Alf Brockmann an ihre Seite geritten, beugte sich vor und rief ihr zu: »Wie geht es dir, Lorchen?« Und sie antwortete tapfer, mit sandrauher Kehle: »Danke, Alf. Gut. Sehr gut. Mach dir keine Sorgen … ich hatte es mir schrecklicher vorgestellt.«
    In den Nächten war es dann anders. Aisha kochte auf dem Spirituskocher Maisbrei. Dazu gab es Fleisch aus Dosen und hinterher Obst. Auch Tee kochte sie. Er tat wunderbar gut, wenn die Sternenkälte über die Wüste fiel.
    »Unser Wasser reicht bis zur nächsten Wasserstelle«, sagte Aisha am dritten Tag. »Wir sind sehr sparsam.«
    Die Nacht. Sie war Lores große, tägliche Sehnsucht. Für die Nacht litt sie unter der Sonne. Für die Nacht ritt sie durch die glühende Dunkelheit. Wenn das Kommando für die Kamele ertönte, wenn die Tiere sich niederknieten und Alfs Hand sie aus dem Sattel hob, wußte sie, daß die Dämmerung über die Wüste glitt. Dann war der heiße Tag vergessen, alle Qual fiel von Lore ab … sie wartete auf die Kälte, auf die Hände Alfs, die sie in die Decke wickelten, auf die Nähe seines Körpers, denn nachts schliefen sie alle drei eng aneinandergerückt, umgeben von den Kamelen.
    Manchmal, wenn sie glaubte, daß alles schlief, richtete sich Lore auf und ließ ihre Hand ganz zart über Alfs Gesicht gleiten. Sie hörte seinen Atem, und ihre Hand glitt dem Klang nach und fand seinen Kopf. Ich liebe dich, dachte sie dann. Es ist eine blutende Liebe. Ich werde an ihr verbluten, ich werde an ihr elend zugrunde gehen, denn wie kann ein Mann wie du ein blindes Mädchen lieben? Aber du bist da, liegst neben mir, ganz eng, nur getrennt durch eine Decke, wie Mann und Frau liegen wir beieinander, der Wüstensand ist unser Bett. Romantisch, mein Liebster, nicht wahr? Tödliche Romantik. Aber ich bin glücklich, so unendlich glücklich wie diese Wüste unendlich ist. Das haben wir beide gemeinsam, die Wüste und ich: Wir vergehen in unserer Glut.
    Wie kalt dein Gesicht ist. Und wie hart und kantig es geworden ist in den vergangenen Tagen. Aber du schläfst so schön, so voller Hoffnung. Schlaf weiter, Geliebter!
    Sie zog die Hand zurück, legte sich wieder und schloß auch die toten Augen. Und dabei war ihr, als habe sie alles gesehen. Die Sandkuhle, in der sie lagen, die Sterne über ihnen, die knienden Kamele, die verstreut herumliegenden Sättel, Alfs schlafendes Gesicht, Aishas im Schlaf verkrümmten Körper.
    Aber Alf Brockmann schlief nicht. Er lag ganz still, als Lores Hand ihn streichelte. Er starrte zu den kalten Sternen hinauf und dachte, was alle nachts in der Wüste denken: Kommen wir durch? Oder ist die Wüste stärker als wir?
    Auch Aisha schlief nicht. Unter den Wimpern her beobachtete sie Lore Hollerau. Sie ist weiß, dachte sie voll Haß. Sie ist rein weiß. Und ich bin nur ein Mischling. Das allein ist es, was sie zur Siegerin bei Oulf macht. Ihre weiße Haut. O Allah, könnte ich mich doch häuten wie eine Schlange. Könnte ich mir doch die Haut abziehen. Ich täte es, Allah, wenn ich wüßte, daß eine weiße Haut nachwächst.
    Am Nachmittag des nächsten Tages hielt Aisha die Karawane an. Ein Lastkamel lahmte. Es schleifte den linken Hinterfuß durch den Sand, und die letzten Kilometer heulte es bei jedem Schritt jämmerlich und herzzerreißend auf. Schließlich schwankte es nur noch, und sein Schreien war fast unerträglich.
    Aisha untersuchte den Fuß und kam zu Alf zurück, der noch wartend auf seinem Reittier saß. Lore trank in kleinen, vorsichtigen Zügen ein paar Schlucke Wasser. Es schmeckte schal und war warm wie Suppe.
    »Ein Biß«, sagte Aisha mit ernster Miene. »Vielleicht ein Skorpion. Das ganze Gelenk ist dick geschwollen, und die Schwellung zieht das Bein hinauf. Es kann nicht mehr laufen.«
    »Dann müssen wir hier Rast machen und es kühlen.«
    »Nein. Wir brauchen das Wasser für uns.« Aisha schüttelte die langen, schweißnassen Haare. »Wir kommen auch mit einem Lastkamel an die Grenze.«
    Brockmann sah hinüber zu dem verletzten Tier. Es hatte sich in den Sand gekniet und den Kopf weit in den Nacken gelegt, als wolle es die Sonne anflehen, ihm zu helfen. Aisha zog aus dem Gürtel eine Pistole und lud sie durch.
    Brockmann hielt sie am Arm fest, als sie hinüber

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