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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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seinen Spaten.
    Aisha schwieg. Sie kniete vor dem Spirituskocher und reinigte die verölten und verrußten Brennlöcher.
    »Sie hat keinen auf der Welt als mich.« Brockmann warf den Spaten zur Seite und setzte sich hinter Aisha auf eine Kiste. »Auch ich habe niemanden mehr. Birgit ist gestorben, meinen Jungen haben sie entführt. Ich werde auch ihn nie wiedersehen.« Er wischte sich mit zitternden Händen über das Gesicht und die Augen.
    »Wir alle sind einsam.« Die Stimme Aishas war kalt. Noch nie hatte Brockmann sie so sprechen gehört. »Wen habe ich auf dieser Welt?«
    »Ihr Orientalen habt eine andere Mentalität.«
    »Haben wir die?« Aishas Kopf flog herum. Wieder verschlug es Brockmann den Atem vor dieser Wildheit in ihrem Blick. »Überall in der Welt sind die Frauen gleich. Überall haben sie ein Herz, und dieses Herz empfindet Liebe. Warum soll ich, gerade ich, anders sein?«
    Brockmann griff nach Aishas Schultern und zog den sich wehrenden Körper zu sich heran. Sie machte sich steif und drückte die Schultern nach vorn, als Brockmann seine Hände darauflegte.
    »Glaubst du wirklich, daß du und ich zusammenleben könnten?« fragte er. Der Abend am Schwimmbecken in Bir Assi, dachte er. Sie schwamm im Wasser wie ein goldener Fisch. Und dann stand sie vor mir, nackt und vom abperlenden Wasser gestreichelt, und sie schämte sich nicht, als sei es die natürlichste Sache der Welt, vor mir nackt zu stehen und ihre Schönheit preiszugeben. Wie lange ist das her? Nur ein paar Wochen? Schon ein paar Wochen? Es war ein Bild, das sich in ihm eingebrannt hatte. Ein bronzener Mädchenkörper. Ein lebendes Wunder der Schöpfung. Damals hatte er einen Druck auf dem Herzen gespürt, ein süßes Kribbeln in allen Adern, ein unbändiges Verlangen, gegen das er ankämpfte, das er unterdrückte, das aber in der Nacht wiederkam und ihn überfiel wie ein Fieber, als er allein im Bett lag und gegen die Decke starrte. Aisha, hatte er da gedacht. Das darfst du nie wieder tun. Ich spüre, daß ich beim zweitenmal nicht mehr die Kraft besitzen würde, mit ruhiger Stimme zu sagen: Zieh dich an –
    »Wir würden uns bis zum Wahnsinn lieben, Oulf«, sagte Aisha leise. Ihr Widerstand ließ nach. Ihre Arme legten sich um seinen Rücken. Über Schultern und Brüste wehte der Schleier ihrer pechfarbenen Haare.
    »Liebe allein macht nicht das Leben aus, Aisha.«
    »Ich würde mich zerreißen lassen für dich.«
    »Auch das ist nicht der Sinn des Lebens.«
    »Ich würde alles tun, was du sagst.«
    »Du würdest enttäuscht sein, wie unromantisch, wie nüchtern, wie brutal das Leben ist.«
    Aisha beugte sich weit nach hinten. Ihr Kopf lag auf Brockmanns Knien, ihre herrlichen schwarzen Augen funkelten.
    »Du hältst mich für eine Halbwilde, nicht wahr, Oulf?«
    »Du bist ein Kind der Wüste, natürlich.«
    Aisha lächelte. Ihre Zähne blinkten zwischen den vollen, roten Lippen. Sie ist wirklich ein Wunder Gottes, dachte Brockmann. Wie kann ein Mensch nur so schön sein –
    »Wenn ich dir von mir erzähle, Oulf, werde ich anders aussehen«, sagte sie.
    »Ich weiß alles von dir.«
    »Alles?«
    »Dein englischer Urgroßvater, deine vier Geschwister, deine Arbeit im Offiziersclub …«
    »Und wenn das alles Lüge ist?«
    »Du kannst nicht lügen, Aisha. Deine Augen würden es verraten.«
    »Dann mache ich sie zu.« Sie schloß die Augen. »Ich bin in El Mansurah im Nildelta geboren. Mein Vater war nicht ein armer Fellache … er war ein reicher Großgrundbesitzer und arbeitete bis 1947 für die Engländer als Verwalter in Suez. 1947 wurde er totgeschlagen. Von seinen Landsleuten, von Ägyptern, auf offener Straße, weil er ein Freund der Weißen war. Es war ein Mord, der nie aufgeklärt wurde. Als es geschah, studierte ich in Oxford …«
    Brockmann wollte aufspringen, aber Aisha umklammerte seine Knie und hinderte ihn daran.
    »Ich kam zurück und keiner hatte Mitleid mit mir. Ich fühlte überall den Haß meiner Landsleute. Sie hat in England studiert … sie hat weißes Blut in sich … man sollte auch sie wie einen räudigen Hund totschlagen, wie den Vater. Ich war plötzlich allein auf der Welt, ganz allein, denn meine Mutter starb schon, als ich ein Kind war. Geschwister habe ich nicht. Verwandte kannten mich nicht mehr, aus Angst vor den Nationalisten. Ich stand am Grabe meines Vaters, und unbekannte Hände hatten über den Marmorgrabstein mit roter Farbe geschrieben: Verräter des Volkes!« Aisha legte das Gesicht auf die Knie

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