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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Kamelen hin und her. Er stützte sie, und sie hatte den Kopf hoch erhoben und ging an seiner Seite wie auf einer Großstadtpromenade.
    Dabei fühlte sie sich elend und wie zerschlagen. Ich darf es ihm nicht zeigen, dachte sie und preßte die Lippen aufeinander. Er braucht eine starke Frau. Ihm kann nur eine Frau etwas bedeuten, die so sicher im Leben steht wie er. Und ich will stark sein, ganz stark. Auch wenn ich blind bin: In mir soll eine ungeheure Energie wachsen. Nicht seine Belastung will ich sein, sondern seine Hilfe.
    Sie straffte sich, sammelte alle Kraft ihres müden Körpers und ging aufrecht und mit festen Schritten neben Brockmann im Kreis herum.
    Plötzlich zuckte Alf zusammen und sprang einen Schritt zurück. »Verdammt!« rief er. »Da bin ich auf etwas getreten, und das Biest hat mich gestochen …« Er hüpfte auf einem Bein und riß den Strumpf von dem anderen Fuß. Aus einem kleinen Einstich im Ballen sickerten ein paar Tröpfchen Blut. Mehr war nicht zu sehen.
    Aisha sprang auf und rannte auf die beiden zu. Mit einem Knüppel hieb sie in den Sand, und erst da sah Brockmann, wie ein kaum Fünfmarkstück großes, sandbedecktes Tier mit einem langen, spitz auslaufenden Stachelhinterleib sich aufbäumte und sich gegen den niedersausenden Stock wehrte.
    »Teufel!« schrie Aisha und hieb in blinder Wut auf das Tier. »Teufel! Teufel!« Sie hieb noch immer, als das Tier schon zerquetscht im Sand lag und nun unter den Stockschlägen fast zerstampft wurde.
    »Bist du verletzt?« fragte Lore. Ihre blinden Augen starrten Brockmann an. »Was war es denn?«
    Aisha rannte unterdessen weg, suchte aus dem Medizinkasten ein Skalpell und legte es in die flackernde Spiritusflamme.
    »Komm her, Oulf!« rief sie dabei. »Komm schnell her! Leg dich hin. Und beiß die Zähne zusammen! Es muß sein … es muß sein …«
    Brockmann ließ sich auf den Rücken fallen, da, wo er gerade stand. Die Gefahr, in der er schwebte, kam ihm jetzt erst zum Bewußtsein. Ein Skorpionbiß. Ein Biß, der das Gift sofort in die Blutbahn trägt. Auch das Kamel war von einem Skorpion gebissen worden. Seine Gelenke waren angeschwollen, und es hatte geschrien, als zerteile man es bei lebendigem Leib. Und Aisha hatte keine andere Möglichkeit gesehen, als es zu erschießen.
    Und nun war er selbst gebissen worden. Der Tod schickte sich an, durch seinen Körper zu kreisen.
    Brockmann beugte sich vor und drückte die Beinschlagader mit beiden Daumen ab. Neben ihm stand Lore Hollerau, den Kopf lauschend erhoben. Sie ahnte nicht, was sich vor ihren Füßen abspielte. Sie wartete auf ein neues Wort Alfs, auf die Fortsetzung des Spazierganges.
    Aisha kam herangerannt, das glühende Messer in der Hand. Sie kniete sich vor Brockmann in den Sand, legte seinen Fuß in ihren Schoß und sah ihn aus bittenden Augen an.
    »Wenn es zu stark wird, dann schrei, Oulf …«, sagte sie leise. »Ich werde es nicht hören … ich werde es vergessen, daß du jemals geschrien hast.«
    Dann setzte sie das glühende Messer an den Fuß und schnitt tief in das Ballenfleisch. Es zischte, der Geruch verbrannten Fleisches quoll auf, Blut rann über Aishas Hände, aber sie schnitt weiter, umkreiste die Bißstelle und schälte ein großes Loch heraus. Dann warf sie das Messer weg, hielt den Fuß hoch und ließ das Blut aus der großen, gräßlichen, an den Rändern verbrannten Wunde strömen.
    Alf Brockmann war zusammengezuckt, als das glühende Messer in seinen Fuß schnitt. Der Schmerz war so unbeschreiblich, daß er meinte, sein Kopf zerspränge und sein Herz verdunste. Er riß den Mund auf, er wollte schreien, aber der Schmerz lähmte selbst den Schrei und verdampfte seine Stimme. Erst als das Blut strömte, stöhnte er wild auf und hieb mit beiden Fäusten in den Sand.
    Lore Hollerau war bis zu dem Moment lauschend stehengeblieben, in dem sie das Zischen hörte und den Geruch des verbrannten Fleisches wahrnahm. Da wußte sie, was sich neben ihr abspielte und daß Aisha um das Leben Alfs rang. Sie ließ sich auf die Knie fallen und tastete mit weit ausgestreckten Händen nach Brockmann. Sie erfaßte etwas, aber es war die Schulter Aishas … sie tastete weiter und griff in warme, strömende Flüssigkeit.
    Blut. Ein Sturzbach von Blut.
    »Alf!« schrie sie auf. »Alf! Was ist geschehen? Aisha! Aisha! Ich flehe dich an … sag etwas! Lebt … lebt Alf noch?«
    »Es ist alles gut.« Aishas Stimme war ruhig und völlig ohne Erregung. »Ein Skorpion hat ihn gebissen. Ich habe

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