Naechte der Leidenschaft
Ding sahen, das jetzt, von einem zitternden Pfeil gehalten, an dem Pfahl baumelte. Nur eine Handbreit von Amaurys Kopf entfernt.
»Was, zum ...« Verwirrt fuhr Amaury herum und schaute in die Richtung, aus der der Pfeil gekommen war. Die Kinnlade fiel ihm herunter, als er seine »sanftmütige« Frau auf dem obersten Treppenabsatz der Stufen zum Wohnturm stehen sah, Pfeil und Bogen in der Hand. Ein würgendes Geräusch drang aus seiner Kehle, das Blake aufblicken ließ. Emma schoss ihren zweiten Pfeil ab.
Das Zischen des auf ihn zufliegenden Geschosses ließ Amaury wie gebannt auf den kleinen Speer starren, als dieser durch seine gespreizten Beine hindurchsegelte. Weniger als einen Herzschlag später hörte er, wie er sich in den Holzpfosten hinter ihm bohrte.
»Allmächtiger«, stieß Blake hervor und sprach damit das Wort aus, das Amaury nicht herauszubekommen schien, obwohl er mit offenem Mund dastand. Alle auf dem Burghof schienen wie angewurzelt dazustehen, als Lady de Aneford ruhig die Treppe des Turms hinunterstieg und die gut dreißig Meter auf ihren Mann zuging, die sie von ihm trennten.
Stunde um Stunde hatte Emma eingeschlossen im Schlafgemach verbracht. Die meiste Zeit war sie damit beschäftigt gewesen, hin und her zu gehen und vor sich hin zu fluchen. Seit Amaurys Forderung, sie solle die Tür öffnen und ihn anhören, hatte sie das getan. Und dann noch eine weitere halbe Stunde, nachdem er gegangen war, weil er schließlich eingesehen hatte, dass sie seiner Aufforderung nicht Folge leisten würde. Seitdem war sie ungestört geblieben und hatte genügend Zeit gehabt, gründlich nachzudenken. Es hatte nicht viel Seelenerkundung gekostet zu erkennen, warum sie so wütend war. Es war nicht nur Zorn, den sie spürte, sondern vor allem Kränkung. Es tat weh, dass der Mann, von dem sie glaubte, sie könnte in Liebe mit ihm verbunden sein, sie für fähig und kalt genug hielt, ihn zu töten.
Liebe?! Großer Gott! Sie hatte sich doch ganz gewiss nicht in ihn verliebt? Es war die Pflicht einer Ehefrau, ihren Mann zu lieben, aber nicht, sich »in Liebe« mit ihm verbunden zu fühlen. Es gab einen feinen Unterschied zwischen diesen beiden Möglichkeiten. Aber es war ausgeschlossen. Wie könnte sie mit diesem großen Flegel in Liebe verbunden sein? Nein. Es konnte nicht sein. Nicht mit einem Mann, dessen Gesicht sich verfinsterte als habe er Schmerzen, wenn er nur daran dachte, mit ihr reden zu müssen. Sie gab ehrlich zu, dass sie seine Aufmerksamkeiten im Bett genoss, aber sie war es von Herzen leid, ihm Liebestranke einflößen zu müssen, um ihn dorthin zu kriegen. Und die vergangene Nacht war der Beweis dafür, dass es nur ihre Kräuter gewesen waren, die ihn in ihr Bett gebracht hatten. Sie hatte zu viel von dem Aphrodisiakum in sein Bier getan, und er hatte es geschmeckt und es weggeschüttet. Und er hatte es vorgezogen, sich bis zur Besinnungslosigkeit zu betrinken, statt zu ihr ins Bett zu kommen. Für Emma war das ein unwiderlegbarer Beweis dafür, dass ihr Mann - ohne den Liebestrank - nicht den Wunsch hatte, mit ihr zu schlafen.
Auf diese Weise waren ihre Gedanken im Kreis herumgegangen, bis Emma bewusst wurde, dass sie den eigentlichen Grund für ihren Zorn ganz vergessen hatte. Dieser Mann hatte sie des Versuchs beschuldigt, ihn zu töten! Man stelle sich das vor! In der kurzen Zeit ihrer Ehe hatte sie ihm zweimal das Leben gerettet, und er hielt sie für eine Giftmischerin. Das wird sich ändern!, hatte sie gedacht, hatte nach Pfeil und Bogen gegriffen und war auf den Burghof hinausgegangen.
Als sie jetzt vor Amaury stehen blieb und sein blasses Gesicht sah, lächelte sie zufrieden. »Ich wollte Euch nur zeigen, dass ich, wünschte ich Euch zu töten, es auf diese Weise tun würde. Ich brauche keine Heimtücke, um Euch umzubringen. Ich hätte Euch nur den Banditen überlassen müssen. Oder den Söldnern.«
»Lord Darion!«, stieß Blake plötzlich hervor.
Emma schwieg, ihr kalter Blick ruhte auf ihrem Mann.
Amaury schluckte und schaute auf die Pfeile, die aus dem Köcher auf ihrem Bücken herausragten. Ein Irrtum war ausgeschlossen, es waren die gleichen, die er in den toten Banditen hatte stecken sehen. Mit der roten Feder am Ende waren sie unverwechselbar. Es gab für ihn keinen Zweifel, dass sie Emma
gehörten. Ihre Bemerkung über die Söldner erregte seine Aufmerksamkeit jedoch weitaus stärker, denn es schien, als wollte sie behaupten, dass ihr Sprung auf die Lichtung kein Zufall
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