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Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Titel: Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Anderson
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konnte. An meine Finger steckte ich drei Ringe mit großen weißlichen Brillanten. Dieser Aufzug würde für ein wenig Verwirrung bei meinem Gegenüber sorgen. Ich mochte solche Rätselei, die dem anderen etwas abforderte. Das Leben war an sich so langweilig.
    In Ruhe schminkte ich mein edles Antlitz und brachte ebenfalls die Frisur in Ordnung. Der westeuropäische Geschmack war dezent. Wir Osteuropäerinnen schminkten uns traditionell etwas stärker und zogen uns gern farbenfroh sowie auffällig an. Die Menschen von hier bezeichneten das zuweilen als kitschig. Russinnen, die das erste Mal nach Westeuropa kamen, fanden dagegen, dass die hiesigen Frauen sich zu sehr wie Männer kleideten.
    Eine schöne Frau, mehr noch ein Mädchen, blickte mir aus dem Spiegel entgegen. Der wertvolle Schmuck und die Garderobe ließen mich jedoch etwas reifer wirken.
    Um nicht erneut auf einen neugierigen Taxifahrer zu stoßen, beschloss ich zur Abwechslung die S-Bahn zu nutzen. So etwas konnte man in Berlin noch wagen. Man war auf diese Weise mitten unter dem bunten Volk dieser lebendigen Stadt. Das hatte auch seinen Reiz. Diese Mischung war für mich ein reizvoller Cocktail und brachte etwas Abwechslung in die unendliche Einsamkeit meines langen Lebens.
    In anderen Metropolen der Welt konnte eine solche Fahrt für gewöhnliche Menschen durchaus gefährlich werden, da dort fast nur noch ärmere Schichten dieses Verkehrsmittel nutzten.
    Der Zuzug von Menschen aus der ganzen Welt und die ausufernde Armut inmitten des Reichtums machten aber auch Berlin unsicherer. Inzwischen konnte man hier ebenfalls durchaus böse Überraschungen erleben. Zuweilen wurde jemand auf einem U-Bahnhof von Randalierern erschlagen oder vor den Zug geschubst, weil er zur falschen Zeit am falschen Ort war.
    Mich konnte jedoch niemand erschrecken.
    Ich roch, sah und spürte sowohl die Bosheit als auch Angst, da ich ja selbst ein Monster war. Durch meine Kraft und Schnelligkeit musste ich keinen Dieb fürchten.
    Auf der Fahrt gab es keine Probleme. Einige Leute bestaunten unterwegs neugierig meine Erscheinung und den offen zur Schau gestellten wertvoll wirkenden Schmuck. Wahrscheinlich hielten sie ihn deswegen für ein billiges Plagiat.
    Keiner wagte in einen Blickkontakt mit mir zu treten. Nur einige gierige Männer musterten heimlich meine Figur. Sie konnten sich dem erotischen Sog meines bösen Blutes nicht entziehen. Hier in Deutschland versuchten die Männer sich jedoch zurückhaltend zu geben. Einige der hier Geborenen waren sogar schüchtern und mussten erst von den Frauen zum Kontakt motiviert werden. Es schien zuweilen so, als hätten in diesem Land die Frauen die Hosen an und bestimmten über die Männer. Die männlichen und weiblichen Neubürger aus allen Teilen der Welt glichen dieses naturwidrige Defizit zum Glück ein wenig aus. Die Umsiedler folgten traditionelleren Wertvorstellungen.
    Mit einem ausgeglichenen Gemütszustand stieg ich an der Zielstation aus. Die Menschen hasteten hin und her. Es war erstaunlich, wie eilig es alle angeblich hatten. Die heutige Zeit verbreitete Rastlosigkeit. Davon ließ ich mich aber nicht anstecken.
    Es gab von der unteren Etage des Bahnhofs sogar einen direkten Zugang zum Lift des Hotels. So musste man sich nicht einmal dem Tageslicht aussetzen, um in das Restaurant zu gelangen. Es war etwa 17 Uhr, draußen würde es noch recht hell sein. Bauten waren bei den Deutschen gut durchdacht. Gab es eine bessere Stadt für mich?
    Ich betätigte die Sprechanlage, mit deren Hilfe man Einlass in den vergitterten Vorraum des Aufzugs erhielt.
    „Sie wünschen?“, fragte mich die Stimme des Pförtners auf der anderen Seite.
    „Ich werde im Restaurant erwartet.“
    Ohne nach dem Namen des Gastes oder der Reservierung zu fragen, ließ er mich ein. Das Surren des Türöffners verdeutlichte, dass ich jetzt eintreten konnte.
    Der Lift fuhr zum obersten Stockwerk des Gebäudes. Hier befand sich eines der nobelsten Restaurants mit einem fantastischen Blick über die Dächer von Berlin.
    Diese Wahl hatte der Kommissar getroffen.
    Als sich die Tür des Fahrstuhls erneut öffnete, verbeugte sich ein rot livrierter Portier vor mir. Er sollte als menschliche Barriere unangenehme und somit unerwünschte Besucher fernhalten.
    „Herzlich Willkommen!“
    Eine symbolische Armbewegung wies mir den Weg.
    Ich nickte ihm freundlich zu und trat in den Flur. Hinter der kleinen Rezeption, unmittelbar vor dem Restaurant, stand eine elegant gekleidete

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