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Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Titel: Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivy Anderson
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linke Zeigefinger und Daumen berührten sich nervös. Er bemühte sich um Lockerheit, schien diese aber nicht wirklich zu besitzen.
    Nun ja, er war durch die Historie irgendwie mit meiner Familie verbunden, vielleicht kamen meine Empfindungen daher. Aber die vergangenen Geschehnisse waren inzwischen nahezu bedeutungslos.
    Mein Gott! , schoss es mir plötzlich in den Kopf. Das war es!
    Langsam und tief zog ich die Luft prüfend ein. Schon bei unserer ersten Begegnung war mir etwas aufgefallen, doch ich hatte es nicht klar zuordnen können. Mein Herz pochte wild und nun zitterte meine Hand. Ich legte sie unter den Tisch auf mein Bein, damit er es nicht sah.
    Es war sein eigenwilliger Geruch, der mich bannte! Das war die Ursache meines ungewöhnlichen Interesses. So roch einst mein geliebter Vater. Ganz, ganz tief sog ich diese Blume nun ein. Mein warmes Herz blutete dabei unter dem verknöcherten Hass. Tränen der Erinnerung stiegen auf. Ach, Graf Gordon von Mirbach, musste das sein?
    „Geht es Ihnen gut?“ Er musste etwas bemerkt haben.
    Ich zwang mich zu einem Lächeln.
    „So gut wie selten! Die Atmosphäre hier hat noch eine weitere alte Empfindung aufgeweckt.“
    Ich fühlte so etwas wie Sympathie aufkommen. Die Bestie konnte sich nicht dagegen wehren und erschien schwach. Ähnliches hatte ich nur gegenüber meinem tapferen tschechischen Freund von 1918 gespürt. Seitdem hatte ich dergleichen nicht mehr wahrgenommen. Damals waren die Gefühle auch von einer anderen Art. Sie basierten mehr auf Dankbarkeit für die Hilfe nach meiner Verwandlung.
    Ja, Gordon von Mirbach hatte diesen wunderbaren Geruch von Reinheit und Ehrlichkeit, nur leicht beschmutzt von der Bosheit der Welt – so als ginge ein frisch Gekleideter kurz durch ein Zimmer voller Zigarrenraucher.
    Genau so hatte Papa gerochen, wenn er von seinen unendlichen Besprechungen zu mir kam. Es war der Geruch eines starken, gutherzigen Mannes voller Familiensinn und Liebe. Durch seine vornehme Geburt war Papa zwar zum Regieren und Kriegführen gezwungen, am Abend kam er jedoch stets zu seiner ältesten Tochter, um mit ihr die Last der Sorgen zu vergessen. Losgelöst begann er dann zu scherzen und Tee zu trinken.
    Zum Ende des Krieges war der Zigarrengestank an seinem weißen Hemd leider immer stärker geworden und biss zuweilen in meiner empfindlichen Nase. Nie werde ich diesen wunderbaren Geruch vergessen.
    Mein Mund öffnete sich erstaunt, als ich die seltsame Verbindung zwischen uns nun genau erkannte.
    Mama hatte einmal gesagt, wir Mädchen würden den Mann lieben, dessen Geruch uns an den eigenen Vater erinnerte. Damals hatte ich gelacht, das nicht für möglich gehalten und es von mir gewiesen. Viel zu streng erschien mir damals der von Papa. Aber auch hier hatte sie Recht behalten. Wie gern würde ich heute meine Nase an sein Haupthaar oder seinen Bart tauchen, um diesen wunderbaren Odem bis ans Ende der Ewigkeit zu genießen.
    Graf Gordon von Mirbach schaute mich noch immer verdutzt an. Er verstand die unerwartete Mimik nicht.
    Ich versuchte die Kontrolle über meine Gefühle zu gewinnen und regelte diese herunter.
    „Leider verlor ich meine Eltern durch ein Unglück sehr früh. Uns verbindet wohl diese bittere Erfahrung auf unglückliche Weise.“
    Dem Kommissar schoss das Blut ins Gesicht. Er rang offensichtlich um Fassung.
    „Es tut mir unendlich leid, dass ich solche Erinnerungen in Ihnen wecke. Das habe ich nicht gewollt.“
    Erneut wurde ich überwältigt. Der vertraute Geruch fachte die Glut der unterdrückten Gefühle für einen Moment an und verborgene Schmerzen suchten unter dem Mantel des Hasses nach einer Öffnung. Ich rang um Beherrschung. War das Menschsein noch immer so stark in mir?
    „Lassen Sie uns schmerzliche und persönliche Themen meiden. In Asien ist dies eine beliebte Methode zur Gesundung des Geistes. Wenden wir uns unserer Aufgabe zu“, versuchte ich das Thema zu wechseln.
    „Sie waren schon in Asien?“
    Er war neugierig und wollte mich etwas auskundschaften. Das verschaffte die gesuchte Ablenkung.
    „Asien beginnt schon hinter dem Ural und Russland ist groß! Ja, natürlich war ich dort“, erwiderte ich scherzhaft.
    „Ich bin nun mal eine Russin.“
    Der Kommissar nickte zustimmend.
    Ein Kellner trat an unseren Tisch heran und reichte uns die Karten. Für den Moment mussten wir unser Gespräch unterbrechen. Das war uns recht. Man konnte sich so besser sammeln.
    Manche Schriftsteller behaupten zwar in den Büchern,

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