Nächte des Schreckens
sie, das ist genau dasselbe Mädchen, von dem er sich vor knapp einer Stunde verabschiedet hat. Auf dem Photo lächelt sie und trägt genau dasselbe Kleid wie heute abend. Obwohl inzwischen mehr als zwei Jahre vergangen sind, hat sie sich überhaupt nicht verändert.
Erneut stößt er einen kleinen Schrei aus.
»Nein«, stammelt er vor sich hin, »das kann doch nicht wahr sein!«
Mit offenem Mund und weit aufgerissenen Augen liest er, was in der Zeitung steht. Er ist vollkommen entsetzt, und was da berichtet wird, kann er einfach nicht glauben.
Die Schlagzeile lautet: »Ball mit tragischem Ausgang«, und in dem Artikel heißt es: »Gestern abend begab sich die achtzehnjährige Monique Dupré auf den allwöchentlich stattfindenden Ball, den die Stadt für die Jugend veranstaltet. Die hübsche, dunkelhaarige Monique, die zudem eine sehr gute Schülerin war, hatte ihr schönstes rotes Kleid angezogen und hoffte, dem jungen Mann ihrer Träume zu begegnen. Doch was sie statt dessen erwartete, war der Tod. Man fand sie erwürgt hinter dem Festsaal auf. Mehrere Zeugen haben sie mit einem jungen Mann ihres Alters tanzen sehen, aber die Angaben sind nicht sehr präzise.«
Erneut murmelt Gérard: »Nein... nein...«
Das Tuch... das rote Tuch! Dies ist das einzige Kleidungsstück, durch das sich die Monique von heute abend von der Monique auf dem Photo unterscheidet. Als ob sie die Würgemale auf ihrem Hals damit verbergen wollte...
Durch eine unbeabsichtigte Bewegung stößt Gérard den Stapel mit den Zeitungen um, und dabei fällt sein Blick auf die Ausgabe des 6. Mai. Im nächsten Moment wird er weiß wie die Wand. Unter der Titelzeile »Beisetzung der jungen Monique Dupré« ist ein weiteres Photo abgebildet. Es zeigt einen schwarzen Trauerzug hinter einem ganz mit Kränzen bedeckten Sarg. Gérard erkennt die Szenerie sofort wieder, denn erst vor einer halben Stunde ist er dort gewesen: Es ist der Eingang des Friedhofs in der Rue Gambetta Nummer 2!
Zitternd steht er auf und stammelt mit tonloser Stimme: »Ich habe mit einer Toten getanzt!«
Am nächsten Tag begeben sich Gérard Davout und Michel Girod erneut in die Rue Gambetta Nummer 2. Sie steigen von ihrem Motorrad ab und durchqueren die Friedhofspforte.
Gleich in den frühen Morgenstunden war Gérard zu seinem Freund geeilt und hat ihm alles erzählt. Michel wäre sicher nicht bereit gewesen, ihm zu glauben, wenn er ihm nicht die Zeitungsausgaben mitgebracht hätte. So hat er sich nun selbst davon überzeugen können. Und anschließend hatte Gérard so sehr darauf bestanden, zum Friedhof zu fahren, daß Michel es ihm nicht abschlagen konnte.
Langsam schreiten die beiden jungen Männer die Friedhofsallee entlang, wobei sich der eine die rechte Seite vornimmt und der andere die linke. Da bleibt Michel plötzlich stehen. Gérard bleibt ebenfalls stehen und gesellt sich dann zu seinem Kameraden. Die Kehle ist ihm wie zugeschnürt...
Ja, dort ist es. Als erstes sieht er das Photo eines lächelnden jungen Mädchens in einem ovalen Rahmen. Und darunter steht in Goldlettern: »Monique Dupré 1956-1974.«
Michel packt Gérard am Arm.
»Sieh nur...!«
Gérard schaut hin... Die Erde ist leicht feucht, und Spuren sind deutlich zu erkennen: Es sind Fußspuren, die zum Grab führen und sich wieder entfernen und die von einem Paar Damenschuhen mit hohen Absätzen stammen!
Eine Woche lang kann Gérard an nichts anderes denken. Doch er klammert sich an zwei Dinge, die er genau weiß: Erstens pflegen Tote nicht aus ihren Gräbern zu steigen, und zweitens hat er das alles nicht geträumt.
Tatsache ist, daß er mit einem jungen Mädchen getanzt hat, das Monique Dupré zum Verwechseln ähnlich sieht und das behauptet hat, diese Monique Dupré zu sein. Außerdem hat sie sich ihm gegenüber sehr seltsam benommen. Für all das muß es eine Erklärung geben, und er ist fest entschlossen, sich Gewißheit zu verschaffen.
Am kommenden Samstag findet er sich erneut im Festsaal zum Ball ein. Sein Gefühl sagt ihm, daß seine geheimnisvolle Tanzpartnerin wieder dort sein wird.
Er kommt zu früh. Also nimmt er an der Stelle Platz, wo das Mädchen bei ihrer ersten Begegnung gesessen hatte, und dann wartet er ab.
Es sind noch keine zehn Minuten vergangen, als er sie kommen sieht. Sie ist genauso gekleidet wie vor einer Woche, mit demselben Kleid und demselben Tuch um den Hals. Und wie beim letzten Mal ist sie fast weiß im Gesicht.
Als sie ihn erblickt, verzieht sie das Gesicht
Weitere Kostenlose Bücher