Nächte des Schreckens
abend gemacht haben.«
»Zum Zeitpunkt der Explosion? Ja, diesen Knall hat man bis hierher gehört. Nun, ich hatte einen Gast zum Abendessen hier, nämlich den Herrn Bürgermeister. Sie brauchen ihn nur zu fragen.«
Der Kommissar weiß jetzt, mit wem er es zu tun hat: mit einem dickschädeligen, gerissenen Bauern... Es ist nicht leicht, solche Leute zum Reden zu bringen. Doch da er fest entschlossen ist, die Sache voranzutreiben, geht er zum Gegenangriff über.
»Der Herr Bürgermeister war hier, sagen Sie? War er wirklich der einzige Gast? War nicht auch Louisette Maury zugegen?«
Wenn der Kommissar geglaubt hatte, damit etwas zu erreichen, so sieht er sich jetzt getäuscht.
Ungerührt erwidert Lucien Bayard: »Ja, natürlich, so wie jeden Abend.«
»Wissen Sie, was man im Dorf über Sie beide erzählt?« Der Bauer nickt mit gelassener Miene.
»Natürlich weiß ich das. Und ich sage Ihnen gleich, daß es stimmt. Sobald Louisette frei ist, werde ich sie heiraten.« Puisart kann seine Verärgerung nicht verbergen. Grimmig antwortet er: »Also gut. Sie haben mit dem Bürgermeister zu Abend gegessen, als die Explosion erfolgte. Aber immerhin gibt es Bomben mit Zeitzünder. So leicht werden Sie sich nicht aus der Affäre ziehen, Bayard!«
Zum zweitenmal läuft der Beamte gegen eine Wand, denn in logischer Konsequenz fragt der Bauer nun: »Dann haben Sie in den Trümmern also einen solchen Zeitzündermechanismus gefunden, oder?«
Nein, die Feuerwehrleute haben nichts Derartiges gefunden, obwohl sie gründlich danach gesucht hatten. Das weiß der Kommissar natürlich und ändert daher das Thema. Er versucht eine letzte Attacke: »Nun, dann haben Sie eben einen Komplizen, einen von Ihren Knechten wahrscheinlich, die Sie behandeln wie die Negersklaven...«
Erneut zuckt Lucien Bayard mit den Schultern.
»Tun Sie, was Sie für richtig halten, Herr Kommissar. Befragen Sie meine Leute. Sie werden schon sehen...«
Und tatsächlich: das Verhör der zehn Tagelöhner, die Lucien Bayard beschäftigt, ergibt nicht das geringste. Die Männer grummeln nur etwas vor sich hin und zeigen verängstigte Mienen. Es sind arme Burschen, die zum Teil recht einfältig sind.
Der Kommissar beharrt nicht. Er ahnt, daß, wie oft in solchen Fällen, manch einer von ihnen sich womöglich zu Unrecht bezichtigen könnte, und zwar einzig und allein aus Angst vor der Polizei. Er zieht es daher vor, eine andere Person zu befragen: Louisette Maury, eine kleine Frau mit harten Gesichtszügen. Sie hat soeben ihre Tochter verloren, ihr Ehemann schwebt nach wie vor in Lebensgefahr, sie selbst ist dem Tod nur entkommen, weil sie ihren Mann betrogen hat, und dennoch bestehen ihre ersten Worte nur in dem Versuch, ihren Geliebten zu verteidigen.
»Er ist es nicht gewesen, Herr Kommissar, das schwöre ich Ihnen! Lucien ist manchmal ein bißchen barsch, aber er würde niemandem etwas zuleide tun. Das sind nur die Leute aus dem Dorf, die so etwas behaupten. Die Dorfbewohner sind bösartig...«
Kommissar Puisart beschließt, die Untersuchung hiermit abzuschließen. Auch wenn die Verhöre nichts ergeben haben, ändert das nichts an den Fakten. Nur einer hat von diesem Attentat profitiert, und das ist Lucien Bayard. Er ist brutal und skrupellos, er wollte sich unbedingt den Hof der Maurys aneignen, und er hat ein Verhältnis mit Maurys Frau.
Was will man mehr verlangen?
Am nächsten Tag geschieht jedoch etwas, das ihn zwingt, den Lauf der Dinge zu beschleunigen. Das Krankenhaus in Besançon teilt ihm mit, daß Michel Maury einem Herzanfall erlegen ist. Er hat den Schock nicht überlebt. Diesmal läßt der Kommissar Lucien Bayard verhaften. Wenn er es nicht getan hätte, so wäre es im Dorf von Vaubois zu einem Aufstand gekommen.
Die weiteren Ermittlungen fördern allerdings keine neuen Fakten zutage. Lucien Bayard wird vom Untersuchungsrichter offiziell des Mordes angeklagt, und am 23. Juli 1945 wird ihm der Prozeß gemacht.
Mit hoch erhobenem Haupte erscheint er auf der Anklagebank. Selbstsicher und unerschütterlich antwortet er auf alle Fragen, die man ihm stellt.
»Zugegeben, ich mochte Maury nicht besonders. Ich gestehe auch ohne weiteres ein, daß sein Tod mir sehr gelegen kommt. Na und? Das ist noch lange kein Beweis!«
Nein, das ist in der Tat kein Beweis. Selbst dem Staatsanwalt ist dies klar, sosehr er auch sein rednerisches Talent entfalten mag. Am Ende der Verhandlung wird Lucien Bayard aus Mangel an Beweisen freigesprochen.
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