Nächte des Schreckens
wie denkst du darüber?« fragt er sie.
Anne Rollat, die bis jetzt geschwiegen hat, sieht ihrem Vater direkt in die Augen.
»Ich finde, daß es eine Schande ist! Was mich betrifft, so will ich Mutter nicht mehr sehen, und du tätest gut daran, es genauso zu halten!«
Dies sollten ihre letzten Worte sein, denn im nächsten Moment werden sie alle drei von einem gleißenden Licht geblendet, und ein ohrenbetäubender Krach ertönt. Alles schreit durcheinander, und dann ist Stille.
Der Hof der Maurys stürzt ein und begräbt die Bewohner unter seinen Trümmern. Aimé Rollat, der durch den massiven Holztisch vor der Explosion geschützt worden ist, stößt noch die Worte hervor: »Die Deutschen...!«
Dann verliert er das Bewußtsein.
Eine Viertelstunde später trifft die Feuerwehr ein. Ein erschütternder Anblick bietet sich ihnen. Der Hof der Maurys ist buchstäblich in die Luft gejagt worden.
Anne Rollat wurde von einem Stück Mauerwerk getroffen und darunter begraben. Sie muß auf der Stelle tot gewesen sein. Ihr Mann Aimé ist unverletzt geblieben, doch er ist noch nicht wieder richtig bei sich. Wie eine aufgezogene Puppe wiederholt er unablässig: »Die Deutschen! Die Deutschen!«
Michel Maurys Verfassung ist äußerst besorgniserregend. Obwohl er außer ein paar Prellungen keine ernsthaften Verletzungen erlitten hat, befindet er sich in einem tiefen Schockzustand. Der Arzt, der ihn soeben untersucht hat, vermag nicht zu sagen, ob er überleben wird.
Doch was die Ursache der Explosion betrifft, so können die Feuerwehrleute diese inzwischen eindeutig feststellen. Sie wurde durch eine Plastikbombe von sehr großer Sprengkraft hervorgerufen, die im Keller explodiert ist. Vermutlich wurde sie durchs Kellerfenster geworfen. Mit dem Krieg hat das also nichts zu tun. Hier handelt es sich um ein Verbrechen.
Als Kommissar Puisart, der mit den Ermittlungen beauftragt ist, sich am nächsten Tag an den Ort des Geschehens begibt, hat er über die Sache bereits einige Erkundigungen eingezogen. Seine Aufgabe erscheint ihm nicht sehr schwierig, da die Fakten so klar auf der Hand liegen.
Bevor er sich anschickt, die Überreste des Hofes der Maurys zu untersuchen, hat er sich ein wenig mit den Dorfbewohnern unterhalten. Auf diese Weise hat er erfahren, daß der Hof eine Art Enklave inmitten der Ländereien des mächtigen Lucien Bayard bildete, und auch sonst haben die Bewohner von Vaubois kein Blatt vor den Mund genommen.
»Ich weiß noch genau, was er zu mir gesagt hat, Herr Kommissar: >Ich werde den Hof von Maury bekommen! Auch wenn er ihn mir nicht verkaufen will, werde ich ihn bekommen!<«
Und selbstverständlich hat man den Beamten auch über die Affäre zwischen Bayard und Louisette Maury aufgeklärt, denn jedermann weiß von dieser skandalösen Geschichte!
»Er wollte den Hof und die Frau dazu, Herr Kommissar! Und wenn der arme Michel dahingehen sollte, wird er sie auch beide bekommen!«
Kommissar Puisart begibt sich unverzüglich zur »Scheune« von Lucien Bayard, wo dieser ihn bereits erwartet. Allerdings scheint der Großgrundbesitzer durch den Besuch des Polizeibeamten nicht sonderlich beeindruckt zu sein.
Er ist ein Mann um die Sechzig mit weißem Haar. Er hat ein markantes Kinn, und seine Züge sind bereits faltig. Durch die Bewohner von Vaubois weiß der Kommissar über ihn hinlänglich Bescheid. Lucien Bayard hat beinahe mit nichts angefangen, sieht man von dem geringen Erbe ab, das seine Eltern ihm hinterlassen haben. Dieses kleine Stückchen Land befand sich allerdings genau an der richtigen Stelle. Durch harte Arbeit und Sparsamkeit schaffte er es dann nach und nach, sein Land mehr und mehr zu vergrößern. Er kaufte Parzelle um Parzelle hinzu und besaß bald alle Ländereien in seiner Nachbarschaft.
Er ist ein harter, geiziger Mann, der nur ein Gesetz kennt, nämlich das seine. Das einzige, was für ihn im Leben zählt, ist seine unersättliche Gier nach immer mehr Land... Kommissar Puisart erkennt rasch, worin die eigentliche Schwierigkeit des Falles liegt, denn obwohl alles auf diesen einen Verdächtigen hindeutet, wird er sich nicht einfach so überführen lassen...
»Ich habe bezüglich Ihrer Person eine Menge erfahren, Monsieur Bayard, und ich glaube, Sie haben mir auch einiges zu sagen.«
Der Großgrundbesitzer zuckt mit den Schultern: »Ich wüßte nicht, was! Mit dem Hof der Maurys habe ich nichts zu schaffen.«
»Lassen Sie uns damit anfangen, daß Sie mir erzählen, was Sie gestern
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