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Nächte des Schreckens

Nächte des Schreckens

Titel: Nächte des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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mich an den Tod denken.«
    Der Abbé Puget kratzt sich am Kinn.
    »Sie... Sie wollen nicht, daß ich Ihnen die Beichte abnehme?«
    »Nein. Verzeihen Sie, Sie sind ebenso ein Opfer dieser Geschichte wie ich, aber das Ganze hat mich zu sehr aufgewühlt. Es wäre mir lieber, wenn Sie jetzt gingen. Auf Wiedersehen, Herr Pfarrer.«
    Der Geistliche beharrt nicht weiter. Er verabschiedet sich und geht. Als er mit seinem Pappkoffer wieder auf der Straße steht, hört er in seiner Erinnerung erneut jene Stimme sagen: »... in der Rue Descartes Nummer 16. Dort liegt ein junger Mann im Sterben. Sie können die Adresse nicht verfehlen. Es ist ein frei stehendes Haus, und der junge Mann ist allein...«
    Doch der Abbé kommt nicht dazu, sich weitere Fragen zu stellen. Ein durchdringender Ton reißt ihn aus seinen Überlegungen, denn sämtliche Sirenen der Stadt beginnen gleichzeitig zu heulen. Fliegeralarm!
    Das Pfarrhaus ist nicht weit. Der Abbé tritt energisch in die Pedale, um rechtzeitig bei sich zu Hause anzukommen und in seinen Luftschutzkeller flüchten zu können.
    Die Sirenen schweigen jetzt. Gleich wird der Angriff erfolgen. Im letzten Augenblick öffnet der Pfarrer die Tür seines Kellers, denn aus der Ferne hört er schon die Bomber kommen.
    Unten im Keller hat er dann ausreichend Zeit, sich von dieser Anstrengung wieder zu erholen. Seit Beginn des Krieges hat noch kein Fliegerangriff derart lange gedauert. Eine Detonationswelle folgt auf die andere, und teilweise sind sie von unerhörter Wucht. Einige Bomben müssen ganz in der Nähe eingeschlagen haben. Endlich, nach einem langen Moment der Stille, ertönen erneut die Sirenen und geben Entwarnung.
    Der Geistliche kommt aus seinem Keller hervor und holt sein Fahrrad, auf dessen Gepäckträger sich noch immer der Pappkoffer mit den Sakramenten befindet. Um ihn herum brennt es fast überall, und laute Schreie ertönen. Die ersten Feuerwehr- und Ambulanzsirenen sind zu hören. Der Abbé Puget tritt wieder in die Fahrradpedale: Diesmal hat er die heiligen Sakramente nicht umsonst bei sich!
    Er weiß selbst nicht genau, weshalb er wieder in die Richtung fährt, aus der er eine Weile zuvor gekommen war. Als er in der Rue Descartes angelangt ist, stößt er entsetzt hervor: »Nein, das kann nicht wahr sein!«
    Doch es ist wahr. An der Stelle, wo sich das frei stehende Haus ohne Licht befand, sieht man nur noch Flammen. Seltsamerweise ist außer der Nummer 16 kein anderes Gebäude getroffen worden. Der Geistliche läßt sein Fahrrad fallen und eilt zu den Trümmern. Er muß nicht weit laufen... Der junge Mann, dessen Namen er nicht einmal kennt, ist nicht unter den Trümmern begraben worden. Die Explosion hat ihn in den Garten hinausgeschleudert. Er liegt mit offenen Augen und geöffnetem Mund auf dem Rücken. Er hat keine sichtbaren Verletzungen. Offenbar wurde er durch die Druckwelle der Detonation getötet. Denn er ist tot. Der Abbé blickt auf die Uhr. Es ist halb zwei Uhr nachts. Und wieder vermeint er die Stimme der alten Frau zu hören: »... Rue Descartes Nummer. 16. Ein junger Mann wird dort sterben... wird sterben...«
    Was ist hier geschehen? Immer wieder sucht der Pfarrer nach einer Antwort auf diese Frage. Noch am selben Tag begibt er sich auf seinem Fahrrad in die Rue de Bretagne Nummer 3. Doch anstelle der Hausnummer 3 findet er dort lediglich ein unbebautes Stückchen Land vor.
    Ob er die Nummer falsch verstanden hat?
    Er klingelt am Haus nebenan, und eine alte Dame öffnet die Tür.
    »Mademoiselle Chauvy?«
    »O nein, Herr Pfarrer, ich heiße Laurent, und ich bin Witwe. Aber kommen Sie doch herein!«
    Madame Laurent bemüht sich nach Kräften, die Fragen des Geistlichen zu beantworten, doch sie kann ihm beim besten Willen nicht weiterhelfen.
    »Vielleicht wohnt sie in einem anderen Teil der Straße?« meint er.
    »Nein, das ist unmöglich. Ich lebe hier seit vierzig Jahren, und ich kenne alle Bewohner. Ich versichere Ihnen, daß niemand dieses Namens jemals hier gewohnt hat.«
    Der Abbé Puget will sich damit nicht zufriedengeben, da ihm die Sache sehr zu schaffen macht. Er spricht mit den Mitgliedern seines Pfarrbezirks über den Fall, und da diese von dem seltsamen Erlebnis des Abbé ebenfalls sehr beeindruckt sind, beginnen sie, ihrerseits Nachforschungen anzustellen. Leider ist auch das ohne jedes Ergebnis. Niemand in der Gegend kennt eine Mademoiselle Chauvy.
    Völlig verzweifelt sucht der Pfarrer schließlich die Einwohnermeldestelle auf. Der Beamte

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