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Nächte des Schreckens

Nächte des Schreckens

Titel: Nächte des Schreckens Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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dort erweist sich als sehr entgegenkommend und ist bereit, ihm zu helfen. Er will in den Listen der letzten Volkszählung nachsehen.
    Gleich darauf kommt er mit einem ganzen Stapel von Blättern zurück.
    »Chauvy, sagen Sie? Schreibt sich das >C-H-A-U< am Anfang oder >C-H-O    »Könnten Sie bitte unter beiden Schreibweisen nachsehen?« Der Beamte geht die Liste mit dem Zeigefinger durch. Als er fertig ist, erklärt er kopfschüttelnd: »Es tut mir leid, Herr Pfarrer, aber in Nantes wohnt niemand dieses Namens.«
    »Und Sie sind sicher, daß ein Irrtum ausgeschlossen ist?« insistiert der Geistliche.
    »Was die Liste betrifft, so ist kein Irrtum möglich, aber das beweist noch nicht viel. Die letzte Erfassung der hiesigen Bewohner geht auf das Jahr 1936 zurück. Die nächste Volkszählung hätte 1941 durchgeführt werden sollen, doch wegen des Krieges kam es nicht dazu. Und seit 1936 ist natürlich eine ganze Menge geschehen. Daher kann es gut sein, daß sich ein Fräulein dieses Namens inzwischen hier angesiedelt hat.«
    »Und in dem Fall hätten Sie keine Kenntnis davon?«
    »Nein, nicht vor der nächsten Zählung, sofern die Dame nicht ohnehin mittlerweile aus Nantes wieder fortgezogen ist...«
     
    Auf diese Weise endete das seltsame Abenteuer des Abbé Puget. Trotz all seiner eigenen Bemühungen und der seiner Pfarrkinder war es niemals möglich, die Identität jener geheimnisvollen Anruferin zu ermitteln.
    Der Pfarrer selbst starb fünf Jahre später, also 1949, und bis zuletzt wurde er von dieser verwirrenden Geschichte heimgesucht. Wie mochten sich die Dinge in Wirklichkeit zugetragen haben? Manche Menschen entwickelten dazu eine Hypothese, die im Bereich des Übernatürlichen liegt. Der junge Mann aus der Rue Descartes hatte nämlich seine Eltern im Jahr 1940 verloren. Die unbekannte alte Dame wäre demnach seine verstorbene Mutter gewesen, die gewußt hatte, daß die Zeit für ihn gekommen war, ihr ins Jenseits zu folgen, und die ihm zuvor den Segen der Kirche zuteil werden lassen wollte.
    Doch man muß nicht zwangsläufig das Übernatürliche heraufbeschwören. Ebenso ist denkbar, daß diese alte Dame sehr lebendig war, daß sie tatsächlich Chauvy hieß oder daß sie in ihrer Panik dem Abbé irgendeinen Namen genannt hatte.
    Mit etwas Phantasie kann man sich folgendes Szenario vorstellen: Es ist Nacht, und die alte Dame schläft. Sie hat einen schrecklichen Alptraum. In diesem Traum sieht sie, wie der Tod in einem Haus in der Rue Descartes Nummer 16 zuschlagen wird, in dem ein junger Mann ganz allein lebt. Als sie jäh erwacht, ist sie sich sicher, einen prophetischen Traum gehabt zu haben. Was wird sie also tun? In der Rue Descartes Nummer 16 anrufen oder sich selbst dorthin begeben?
    Beide Möglichkeiten verwirft sie alsbald. Wie würde der junge Unbekannte sie wohl empfangen? Müßte er sie nicht für eine Verrückte halten?
    Zudem ist die alte Dame zweifellos fatalistisch eingestellt und tief gläubig. Sie geht davon aus, daß der Tod, so wie sie es in ihrem Traum gesehen hat, unabwendbar ist. Das einzige, was ihr zu tun bleibt, besteht darin, dem jungen Mann zuvor wenigstens die heiligen Sakramente zukommen zu lassen, und deshalb ruft sie den Pfarrer an.
    Diese Version der Ereignisse hielt der Geistliche schließlich für die wahrscheinlichste. Dennoch gibt es einen letzten Erklärungsversuch, der zwar weniger romantisch ist, der aber möglicherweise der Wahrheit am nächsten kommt...
    Welche Details können im Ablauf der Dinge als gesichert angesehen werden? Immerhin weiß man lediglich, daß sich der Abbé Puget in jener Nacht gegen halb zwei nach dem Bombenabwurf vor dem Leichnam eines jungen Mannes befand.
    Für alles andere, nämlich für den Telefonanruf der alten Dame und die Begegnung mit dem jungen Mann selbst, gibt es keinerlei Zeugen.
    Hat der Geistliche etwa absichtlich die Unwahrheit gesagt? Nein, das ist kaum anzunehmen. Doch es ist gut möglich, daß er sich nur eingebildet hat, diese Geschichte so erlebt zu haben.
    Jene Zeiten gegen Kriegsende waren für den Pfarrer eine harte Belastungsprobe. Der alte Herr war überfordert und am Ende seiner Kräfte. Als der Fliegeralarm ertönt, liegt er in tiefem Schlaf. Er zieht sich hastig an und begibt sich in seinen Keller.
    Vielleicht hat ihn das Bombardement in eine Nervenkrise gestürzt, vielleicht ist er auch zu früh aus dem Keller herausgekommen und wird draußen von einer Detonationswelle getroffen, so daß er kurzfristig das

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