Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Nächte im Zirkus

Nächte im Zirkus

Titel: Nächte im Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Carter
Vom Netzwerk:
Straußenfedern des Prinzen von Wales ergab), prismatisch im Licht blitzten. »Hofzeremoniell. Dunkles Geheimnis. Kamm und Spiegel noch dazu. Massiv das Ganze. War ich von den Socken, als ich alles hab schätzen lassen. Zum Fenster hinaus ist gar kein Ausdruck. Morgen früh kommt’s gleich auf die Bank, sie ist da nicht so blöd. Trotzdem, heute abend kann sie nicht widerstehen.«
    Ein leiser Tadel lag in Lizzies Stimme, als ob es nichts gäbe, was sie unwiderstehlich finden würde, aber Fevvers beschaute ihre Bürste selbstzufrieden und mit Besitzerstolz. Nur einen Moment lang sah sie weniger großzügig aus.
    »Natürlich«, sagte Fevvers, »hat dem das gar nichts genützt.«
    Ihre Unzugänglichkeit war ebenfalls legendär, wenn sie auch - wie Walser sich bereits notiert hatte - bereit war, auf Drängen französischer Zwerge gewisse Ausnahmen zu machen. Lizzie löste das blaue Haarband, das die aufwallende Woge des Haares der jungen Frau zurückhielt, und legte es über ihren linken Arm - wie jemand, der einem Kunden einen Teppich zeigt -, um es kräftig zu bearbeiten. Es war ein eindrucksvoller Strom von Haaren, gelb und unerschöpflich wie Sand, dick wie Sahne zischte und wisperte es unter der Bürste. Fevvers’ Kopf sank zurück, die Augen halb geschlossen; sie seufzte zufrieden. Lizzie hätte eine Palominostute striegeln können - aber Fevvers war ein Pferd mit Höckern.
    Der schäbige Morgenmantel, um den Hals widerlich mit Schminke verschmiert... wenn Lizzie den Armvoll Haar hob, konnte man unter der aufgeplatzten, miefigen Seide ihre Höcker sehen, ihre Schwellungen, so groß, als trüge sie vorn und hinten einen Busen, ihre auffällige Deformität, die Zwillingshügel eines Wuchses, den sie nun für jene Stunden verborgen hatte, die sie bei Tageslicht oder Lampenlicht verbrachte, außerhalb des Rampenlichtes. So war sie auf der Straße, bei der Soirée, beim Essen in teuren Restaurants mit Herzögen, Prinzen, Industriemagnaten und Lebemännern ähnlichen Kalibers stets der Krüppel, auch wenn man sich nach ihr umwandte und die Leute auf die Stühle stiegen, um sie zu sehen.
    »Wer schneidert Ihnen die Kleider?« fragte der Reporter in Walser scharfsichtig. Lizzie hielt mitten in einem Streich der Bürste inne, die Augen ihrer Herrin klappten - wupp! - auf wie blaue Schirme.
    »Niemand. Ich selbst«, sagte Fevvers scharf. »Liz hilft mir.«
    »Aber die Hüte, die kaufen wir in den besten Salons«, lenkte Lizzie diplomatisch-geschwätzig ab. »Wir haben uns in Paris die tollsten Hütchen gekauft, nicht wahr, Liebling? Der mit den Moosröschen, der italienische Strohhut...«
    »Sein Glas ist leer, seh ich da.«
    Walser ließ sich nachschenken, ehe Lizzie sich den Mund voll Schildpattnadeln spickte und mit beiden Händen die Aufgabe anging, Fevvers’ Chignon zu errichten. Die Geräusche der Music Hall, die langsam schloß, fluteten und hallten um sie - Wasser gurgelte in der Leitung, Chormädchen riefen Gutnacht, während sie die Treppen hinunterklapperten zu den wartenden Einspännern der Ballettonkels, irgendwo rasselte ein verstimmtes Klavier. Die Glühbirnen um Fevvers’ Spiegel herum warfen ein nacktes und unfreundliches Licht auf ihr Gesicht, konnten aber dem klassischen Schnitt ihrer Züge keinen Fehler entlocken, wenn nicht die Größe dieser Züge selbst ein Fehler war, der Fehler, der sie ordinär machte.
    Es dauerte eine lange Zeit, bis die zwei Yards goldenen Haares aufgesteckt waren. Als die letzte Nadel ihren Platz gefunden hatte, herrschte nächtliche Stille im ganzen Gebäude.
    Fevvers tätschelte ihren Knoten mit zufriedener Miene. Lizzie schüttelte die Champagnerflasche, fand sie leer, warf sie in die Ecke und holte aus einer Kiste hinter dem Wandschirm eine neue, ließ den Korken knallen, füllte alle drei Gläser auf. Fevvers nippte und schüttelte sich.
    »Warm.«
    Lizzie spähte in den Krug und kippte den geschmolzenen Inhalt in das Badewasser.
    »Kein Eis mehr«, sagte sie vorwurfsvoll zu Walser, als sei dies seine Schuld.
    Vielleicht, vielleicht... in meinem Hirn steigen bereits Bläschen auf, dachte Walser, aber ich hätte beinahe schwören können, daß ich einen Fisch gesehen habe, einen kleinen, einen Hering, eine Sprotte, eine Elritze, aber sich windend, springlebendig, wie er in das Bad gehüpft ist, als sie den Krug ausgeleert hat. Aber es blieb ihm keine Zeit, darüber nachzudenken, wie seine Augen ihn täuschten, denn Fevvers nahm nun feierlich das Interview wieder auf,

Weitere Kostenlose Bücher