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Nächte im Zirkus

Nächte im Zirkus

Titel: Nächte im Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Carter
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Unfreundlichkeit von meinen Müttern erfahren, ich hab immer das Beste von allem bekommen und war um acht Uhr abends in meinem kleinen Bettchen in der Dachstube eingepackt, bevor die reichen Kunden ankamen, die ihre Gläser immer zerschlagen haben.
    Da war ich also -«
    »Da war sie, die kleine Unschuld, mit ihren gelben Zöpfen, die ich ihr immer mit blauen Bändchen gebunden hab, wegen ihrer blauen Augen -«
    »- da war ich, und so bin ich aufgewachsen, und die kleinen Flaumknospen auf meinen Schultern sind mit mir gewachsen, bis eines Tages, als ich sieben Jahre alt war, Nelson -«
    »Nelson?« fragte Walser verwundert. Fevvers und Lizzie hoben gemeinsam ehrfürchtig den Blick zur Decke.
    »Nelson, Gott hab sie selig, ja. Das war eine Madam! Und immer schon hieß sie Nelson, wegen ihrem einen Auge, das andere hat ihr ein Matrose mit einer zerbrochenen Flasche ausgeschlagen, im Jahr der Weltausstellung im Kristallpalast, armes Ding. Und Nelson hat ihr Haus anständig und ordentlich geführt und hätte nie daran gedacht, mich anzulernen, solang ich noch im Kinderkleidchen herumlief, wie’s andere vielleicht gemacht hätten. Aber eines Abends, als sie und Lizzie mich vor dem Kaminfeuer gebadet haben, und wie sie meine kleinen gefiederten Knospen ganz sanft abseift, ruft sie: »Amor! Da haben wir ja unseren eigenen kleinen leibhaftigen Amor!« Und so hab ich mir zuerst meine Brötchen verdient, denn meine Lizzie hat mir einen kleinen Kranz aus rosa Stoffröschen gemacht und ihn mir auf den Kopf gesetzt, und sie hat mir einen Spielzeugbogen mit Pfeilen gegeben -«
    »- den ich für sie vergoldet hab«, sagte Lizzie. »War richtiges Blattgold. Man legt das Goldblättchen auf die offene Hand. Dann bläst man es ganz sacht auf die Oberfläche von dem Zeug, das man vergolden will. Immer vorsichtig. Vorsichtig pusten. Mensch, was eine Arbeit.«
    »So, mit meinem Kranz Rosen, meinem kleinen Flitzbogen und meinen ungereiften Liebespfeilen saß ich dann im Alkoven des Empfangszimmers, wo sich die Damen mit den Herren bekannt machten. Amor, das war ich.«
    »Mit ihren kleinen Babyflügelchen. Hat alles unter ihre Fittiche genommen.«
    Die beiden Frauen lächelten sich nostalgisch an. Lizzie tastete hinter dem Wandschirm nach einer neuen Flasche. »Trinken wir auf den kleinen Amor.«
    »Ich sag nicht nein«, sagte Fevvers und streckte ihr Glas hin.
    »Da war ich also«, fuhr sie nach einem stärkenden Schluck fort. »Ich war ein tableau vivant seit meinem siebten Lebensjahr. Da saß ich über der Gesellschaft -«
    »- als wär sie der Schutzengel des Hauses -«
    »- und sieben lange Jahre lang, Sir, war ich nur das bemalte und vergoldete Zeichen der Liebe, und man könnte sagen, daß so meine Lehrlingszeit verging in meinem Beruf: mich ansehen zu lassen - der Gegenstand zu sein für das Auge des Betrachters. Bis dann die Zeit kam, wo meine, Verzeihung, weiblichen Blutungen begannen und gleichzeitig sich Großes tat in der Busenabteilung, sozusagen. Aber obwohl ich wie jedes junge Mädchen höchst fasziniert war von diesem wunderbaren Aufblühen meines bis dahin schweigsamen und zurückhaltenden Körpers -«
    »- flach wie ein Bügelbrett auf beiden Seiten bis dreizehneinhalb, Sir -«
    »- obwohl ich erstaunt war von all dem, war es noch eindringlicher und seltsam verwirrend, was sich zuerst nur als ein diabolisches Jucken an meinem Rücken zeigte.
    Zuerst nur ein kleiner, sogar ein beinahe angenehmer Reiz, eine Art Summen in meinem Körper, Sir, daß ich meinen Rücken an den Stuhlbeinen rieb, wie es die Katzen machen. Oder ich ließ mir von Lizzie oder einem anderen der Mädels den Rücken mit einem Bimsstein oder einer Nagelbürste behandeln, wenn ich in der Wanne saß, denn mein Jucken hockte gerade an der unbequemsten Stelle zwischen meinen Schulterblättern, wo ich auf keine Weise selbst hinkonnte.
    Und das Jucken wurde stärker. So schwach es angefangen hat, bald brannte mein ganzer Rücken, und man rieb mich mit Salben ein und kühlenden Pülverchen, und ich legte mich mit einem Eisbeutel auf dem Rücken hin, aber nichts konnte den fürchterlichen Sturm stillen, der aus meiner Haut hervorbrach.
    All das war nur das Vorzeichen für das Ausschlüpfen meiner Flügel, verstehen Sie, aber damals hab ich das nicht gewußt.
    Denn so wie meine Tittchen vorne anschwollen, so wuchsen hinten diese meine gefiederten Verlängerungen, bis eines Morgens in meinem vierzehnten Jahr, als ich aus meinem Räderbettchen in der Dachkammer

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