Naechtliches Schweigen
Hintertür unterbrochen.
Auf den ersten Blick schien ein riesiger grauer Fußabtreter Einlass zu begehren, wenn man einmal davon absah, dass Fußabtreter nicht mit dem Schwanz wedeln und lange rosa Zungen aus dem Maul hängen lassen können. Ergeben öffnete Michael die Tür und wurde von dem zottigen übergroßen Hund enthusiastisch begrüßt.
»Zieh hier bloß keine Show ab.« Michael schob die riesigen Tatzen von seiner nackten Brust, wobei ein Großteil des Schmutzes, der daran geklebt hatte, an ihm hängenblieb.
Conroy, Stammbaum zweifelhaft, saß auf dem Linoleum und grinste. Er roch so widerlich, wie es einem Hund nur möglich war, was ihn aber offensichtlich kalt ließ. Sein Fell war verfilzt und voller Kletten. Michael mochte kaum glauben, dass er Conroy vor ungefähr zwei Jahren aus einer Schar niedlicher, verspielter Welpen ausgesucht hatte. Mit der Zeit hatte sich Conroy zu dem abgrundtief hässlichsten Köter entwickelt, den man sich vorstellen konnte. Diese kleine Laune der Natur belastete den Hund jedoch nicht weiter.
Conroy grinste immer noch und hob eine Pfote, wobei sowohl er als auch sein Herrchen wussten, dass diese Geste nichts mit Unterwürfigkeit zu tun hatte.
»Du glaubst doch nicht im Ernst, dass ich diese Pfote schüttele? Wer weiß, wo die vorher gesteckt hat? Du bist wieder diesem Flittchen hinterhergestiegen, stimmt's?«
Conroy verdrehte die Augen. Wäre es ihm möglich gewesen, hätte er wohl anerkennend durch die Zähne gepfiffen.
»Leugnen ist zwecklos. Du hast das ganze Wochenende damit verbracht, dich im Dreck zu suhlen und diesem streunenden Beaglemischling hinterherzuhecheln. Keinen Gedanken hast du an mögliche Folgen oder an meine Gefühle verschwendet.« Michael drehte sich um und suchte im Kühlschrank herum. »Das eine sage ich dir. Wenn du sie noch mal schwängerst, dann siehst du selber zu, wie du klarkommst. Hundertmal hab' ich dich schon gewarnt. Wir leben in den Achtzigern, Freundchen. Safer Sex ist angesagt.«
Er warf Conroy ein Würstchen zu, was dieser gierig schnappte und mit einem Bissen verschlang. Etwas nachgiebiger fütterte Michael ihn mit weiteren Resten, ehe er sich seinen kaffeegetränkten Getreideflocken widmete.
Er war mit seinem Leben zufrieden. In einen Vorort zu ziehen, hatte sich als goldrichtig erwiesen. Hier hatte er alles, was er wollte: ein Stück Rasen, damit er über die Notwendigkeit des Mähens mosern konnte, ein paar Bäume und das, was von den Blumenbeeten seines Vorgängers übriggeblieben war.
Zuerst hatte er sich mal als Gärtner versucht, doch seine Fähigkeiten auf diesem Gebiet ließen sehr zu wünschen übrig, also hatte er das Ganze wieder aufgegeben. Conroy war damit sehr zufrieden. Niemand versohlte ihm das Fell, wenn er die Beete umgrub.
Manchmal, wenn Michael im Garten unter den Bäumen saß, dann dachte er an Emma. Diesen Gedanken pflegte er so schnell wie möglich zu verdrängen.Sicher, es hatte andere Frauen für ihn gegeben. Nichts Ernsthaftes, doch andere Frauen. Aber im Grunde genommen lebte er für seine Arbeit. Mittlerweile hatte er akzeptiert, dass er über ein ausgesprochenes Talent für Polizeiarbeit sowie über einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn verfügte. Zwar brachte er für den Papierkram nicht die gleiche Geduld auf wie sein Vater, aber er kam zurecht, beklagte sich nicht über die langen, oft monotonen Streifgänge oder Einsätze und machte vor allen Dingen nicht voreilig von der Waffe Gebrauch.
»Gestern hat man auf mich geschossen«, teilte er Conroy im Konversationston mit. Der Hund begann uninteressiert sein Fell nach Flöhen abzusuchen. »Wenn dieser Spinner Erfolg gehabt hätte, ständest du jetzt auf der Straße, Kumpel. Und bilde dir bloß nicht ein, dein Beagleflittchen würde dich aufnehmen.«
Conroy blickte zu ihm hin, grunzte und beschäftigte sich wieder mit seinen Flöhen.
»Ein Gang zum Tierarzt«, brummte Michael mit vollem Mund. »Ein einziger Besuch, und schnippschnapp sind die Tage des Herumhurens für dich vorbei.« Erfreut, das letzte Wort zu haben, schlug er die Zeitung auf.
Die üblichen Nachrichten über Kämpfe im Nahen Osten. Eine neue Terrorismuswelle. Irgendwelches Geschwätz über die wirtschaftliche Lage. Im Lokalteil ein Bericht über die Festnahme eines gewissen Nick Axelrod, der im Drogenrausch seine Geliebte mit einer Axt erschlagen hatte.
»Das ist der Typ«, informierte Michael seinen Hund und hielt Conroy die Zeitung hin. »Da steht's. Ich hab' ihn in einer
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