Naechtliches Schweigen
selbstsüchtig erscheinen, aber hatte sie nicht einmal im Leben das Recht, nur an sich zu denken? Wie hätte sie es Bev oder Marianne erzählen und ihren Vater übergehen können? Sie hatte ihn nicht dabeihaben wollen, nicht neben ihr stehen sehen. Er sollte sie nicht an ihren Mann übergeben.
Sie wollte sich ihm selbst schenken.
Um der eintönigen Zeremonie etwas Glanz zu verleihen, trug Emma ein ausgefallenes Seidenkleid in fast demselben Farbton wie die Rose, mit Spitze am Mieder und spitzengefaßtem Saum.
Unwillkürlich musste sie an die Hochzeit ihres Vaters denken, die erste Hochzeit, an der sie teilgenommen hatte. Die glücklich lächelnde Bev, ihr strahlender Vater, und Stevie, ganz in Weiß, mit Engelsstimme singend. Die Erinnerung trieb ihr die Tränen in die Augen, doch sie hielt sie zurück, als Drew ihre Hand nahm.
Lächelnd streifte er ihr den schlichten Diamantring über den Finger. Seine Hand fühlte sich warm und fest an, als er mit klarer, deutlicher Stimme gelobte, sie zu lieben, zu ehren und ihr die Treue zu halten. Das war es, wonach sie sich so sehnte. Geliebt zu werden. Als Drew sie küsste, glaubte sie ihm seine Worte.
Nun war sie nicht länger Emma McAvoy, sondern Emma McAvoy Latimer, eine neue Frau, die ihr Leben und ihre Liebe Drew gewidmet hatte. Ein neues Leben begann.
Was machte es schon, dass ihr frischgebackener Ehemann sofort nach der Zeremonie ins Plattenstudio hetzen musste? Wer könnte die Anforderungen, die an einen Musiker gestellt werden, besser verstehen als sie? Die Blitzhochzeit während der Aufnahmen für sein neues Album war schließlich ihre Idee gewesen. So hatte sie Zeit, die Hotelsuite herzurichten, in der sie ihre Hochzeitsnacht verbringen würden. Alles sollte perfekt sein.
Das Zimmer war jetzt voller Blumen; Treibhausrosen, Orchideen, Narzissen, von ihr eigenhändig in Vasen und Krügen arrangiert. Sogar im Badezimmer hatte sie einen Korb mit blühendem Hibiskus aufgestellt.
Ein Dutzend weißer, nach Jasmin duftender Kerzen wartete darauf, romantische Stimmung zu verbreiten. Eisgekühlter Champagner stand bereit, und das Radio untermalte die Szene mit leiser Musik.
Dann gönnte Emma sich ein ausgiebiges Bad, cremte sich sorgfältig am ganzen Körper ein und benutzte ein leichtes Parfüm. Ihr Körper sollte genauso makellos sein wie der Raum, wie diese Nacht. Sie kämmte sich das Haar, bis ihr Arm schmerzte, und stand dann lange unschlüssig vor dem Kleiderschrank, bis sie schließlich einen weißen, spitzenbesetzten Morgenmantel wählte.
Der Spiegel zeigte ihr das Bild einer glücklichen Braut. Emma schloß die Augen. Jetzt fühlte sie sich auch wie eine Braut. Ihre Hochzeitsnacht. Die schönste Nacht ihres Lebens. Bald würde Drew hereinkommen, seine goldfarbenen Augen würden lange auf ihr ruhen und sich dann verdunkeln. Er würde sanft, liebevoll und geduldig mit ihr umgehen. Fast konnte sie seine schlanken, erfahrenen Finger auf ihrer Haut spüren. Er würde ihr sagen, wie sehr er sie liebte, wie sehr er sie begehrte. Dann würde er sie ins Schlafzimmer tragen und sie alles lehren.
Geduldig. Zärtlich. Leidenschaftlich.
Um zehn Uhr war sie besorgt. Um elf beunruhigt. Um Mitternacht fast außer sich. Im Studio hatte man ihr mitgeteilt, Drew sei schon vor Stunden aus dem Haus gegangen.
Sie befürchtete das Schlimmste. Ein schrecklicher Unfall. Er hatte es so eilig gehabt, zu ihr und dem großen, weichen Bett zu kommen, dass er einen Moment unaufmerksam gewesen war, und sein Auto... Niemand wusste, wo sie zu erreichen war, kein Arzt, kein Polizeibeamter würde sie benachrichtigen. Gerade jetzt konnte Drew schwerverletzt im Krankenhaus liegen und vergebens nach ihr rufen.
Gerade war sie dabei, die Liste der Krankenhäuser durchzugehen, als sich der Schlüssel im Schloss drehte. Noch ehe sich die Tür öffnete, war Emma schon da, riss sie auf und warf sich in Drews Arme.
»Ach, Drew, ich hatte so furchtbare Angst!«
»Nun mal ganz ruhig.« Er klopfte ihr leicht aufs Hinterteil.
»Bisschen nervös, wie?«
Er war betrunken, es ließ sich nicht leugnen. Die Worte klangen verschwommen, sein Gang war unsicher, und er roch nach Alkohol. Sie trat einen Schritt zurück und starrte ihn entsetzt an. »Du hast getrunken!«
»Bloß 'ne kleine Feier mit den Kumpels, 'n Mann heiratet ja nicht jeden Tag.«
»Aber du... du wolltest um zehn Uhr hier sein.«
»Himmel, Emma, du fängst doch wohl nicht jetzt schon an, an mir herumzunörgeln?«
»Nein, nur - Drew,
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